Entscheidungsstichwort (Thema)
Ansprüche eines Arbeitnehmers auf Zahlung von Schmerzensgeld und einer Entschädigung wegen eines als "Mobbing" zu bewertenden Verhaltens des Arbeitgebers und der Mitarbeiter
Leitsatz (redaktionell)
Macht ein Arbeitnehmer konkrete Ansprüche aufgrund von Mobbing geltend, muss jeweils geprüft werden, ob der in Anspruch Genommene in den vom Kläger genannten Einzelfällen arbeitsrechtliche Pflichten, ein absolutes Recht des Arbeitnehmers i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB, ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB verletzt oder eine sittenwidrige Schädigung i.S.d. § 826 BGB begangen hat. Nach allgemeinen Grundsätzen ist die Klägerin für die anspruchsbegründenden Tatsachen darlegungs- und beweispflichtig. Daraus folgt, dass sie im Rechtsstreit die einzelnen Handlungen oder Maßnahmen, aus denen sie die angeblichen Pflichtverletzungen herleitet, konkret unter Angabe deren zeitlicher Lage zu bezeichnen hat. Eine Pflichtverletzung ist dabei nicht bereits dadurch bewiesen, dass der Arbeitnehmer krankgeschrieben worden ist. Selbst wenn ein "mobbingtypischer" Befund festgestellt wird, steht damit nicht die Kausalität zwischen den behaupteten Mobbing-Handlungen und dem medizinischen Befund fest.
Normenkette
BGB § 241 Abs. 2, § 253 Abs. 2, §§ 278, 280 Abs. 1, § 823 Abs. 1, § 831; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1; AGG § 15 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Flensburg (Entscheidung vom 16.02.2023; Aktenzeichen 1 Ca 632/22) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung von Schmerzensgeld.
Die am ...1961 geborene Klägerin arbeitete seit dem 01.12.1998 als Zahnarzthelferin in der Praxis des Beklagten, der die Praxis im Jahr 2015 übernommen hatte. Sie verdiente als Vollzeitkraft zuletzt 2.900,00 EUR brutto im Monat. Neben der Klägerin waren in der Praxis des Beklagten eine Auszubildende und vier Teilzeitkräfte beschäftigt, u.a. seit 2004 Frau C. und seit 2009 Frau S.. Seit dem 19.11.2021 war die Klägerin durchgehend arbeitsunfähig krank.
Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 24.11.2021 zum 30.06.2022. Die Kündigungsschutzklage der Klägerin war in drei Instanzen erfolglos (BAG 22.08.2023 - 7 AZN 174/23).
Mit Schreiben vom 01.06.2022 machte die Klägerin gegenüber dem Beklagten erfolglos einen "Schadensersatzanspruch in Höhe von 40.000,00 EUR gem. §§ 823 i.V.m. § 253 Abs.2 BGB bzw. gem. §§ 1, 15 II Satz 2 AGG" wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen geltend (Anlage K 6).
Mit ihrer am 09.08.2022 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sie Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes gefordert, dessen Höhe sie in das Ermessen des Gerichts stellt, das jedoch 40.000,00 EUR nicht unterschreiten sollte. Die Klägerin hat behauptet, sie sei an ihrem Arbeitsplatz in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht erheblich und systematisch verletzt worden. Die Persönlichkeitsrechtsverletzungen seien vor allem von ihrer Kollegin S. als treibender Kraft sowie von ihrer Kollegin C. ausgegangen. Die Klägerin hat gemeint, Neid und Angst vor Arbeitsplatzverlust hätten deren Verhalten motiviert. Die Kolleginnen hätten die aufgrund der langen Betriebszugehörigkeit "natürlicherweise" bestehende "Weisungsbefugnis" der Klägerin nach dem Inhaberwechsel nicht mehr respektiert. Sie hätten Konflikte geschürt, um sie, die Klägerin, bezüglich ihres Verantwortungsbereichs schlecht dastehen zu lassen. Die Kolleginnen hätten sich auch an ihrem größeren Kompetenz- und Tätigkeitsspektrum gestört. Zuletzt habe die "Panik" der Kolleginnen vor Corona weitere Anfeindungen veranlasst, da sie, die Klägerin, deutlich "normaler" mit der Thematik umgegangen sei. Endgültig sei sie zum Feindbild erklärt worden, als sie sich nach überstandener Corona-Erkrankung im Januar 2021 zum Auslaufen ihres "Genesenen-Status" im Sommer 2021 aus gesundheitlichen Gründen gegen eine Impfung entschieden habe.
Die Klägerin hat behauptet, die Kolleginnen hätten sie wegen ihrer polnischen Herkunft sowie ihres katholischen Glaubens gehänselt und lächerlich gemacht. Zudem hätten sie bewusst und lautstark falsche Behauptungen über ihr angeblich unterlaufene Fehler verbreitet. Ihr seien Fehler der Kolleginnen öffentlichkeitswirksam in die Schuhe geschoben worden. Die Kolleginnen S. und C. hätten des Öfteren lauthals über sie gelästert oder miteinander getuschelt, wenn sie in der Nähe gewesen sei. Dabei sei immer wieder ihr Vorname geflüstert worden. Wenn sie den Raum betreten habe, hätten sie geschwiegen und sie mit abschätzigen Blicken bedacht. Nachdem die Klägerin sich aus gesundheitlichen Gründen gegen eine Corona-Impfung entschieden hätte, hätten ihre Kolleginnen regelmäßig lauthals nachgefragt, ob sie sich nicht doch endlich impfen lassen wolle. Wenn sie mit Maske den Raum betreten habe, seien demonstrativ die Fenster aufgerissen und meterweiter Abstand zu ihr gehalten worden. Zudem hätten die Kolleginnen die Türen der Behandlungszimmer au...