Entscheidungsstichwort (Thema)
betriebsbedingte Kündigung nach Sozialauswahl
Normenkette
KSchG §§ 1, 17, 23; BGB § 728; ZPO § 859; KO § 1; BGB § 622
Verfahrensgang
ArbG Neumünster (Urteil vom 14.12.1994; Aktenzeichen 3b Ca 780/94) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird – unter Zurückweisung der Berufung im übrigen – das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 14. Dezember 1994 teilweise abgeändert:
Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 27. April 1994 nicht zum 30. Juni 1994 sondern zum 31. Oktober 1994 aufgelöst worden ist. Die Klage wird im übrigen abgewiesen.
2. Die Gerichtskosten tragen der Beklagte zu 1 zu 1/3, der Kläger zu 2/3. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2. trägt der Kläger; von den übrigen außergerichtlichen Kosten tragen der Beklagte zu 1 1/3 und der Kläger 2/3.
3. Gegen das Urteil wird die Revision zugelassen.
Tatbestand
Bei diesem Rechtsstreit handelt es sich um einen von 119 gleichgelagerten Kündigungsprozessen, von denen in der Berufungsinstanz der überwiegende Teil durch Klagerücknahme, einige durch gerichtliche Vergleiche und zehn durch klageabweisende Urteile, von denen für zwei wegen der tariflichen Kündigungsfrist die Revision zugelassen aber nicht eingelegt worden war, beendet worden sind.
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer vom Beklagten zu 1 erklärten ordentlichen Kündigung:
Der Kläger war zur Zeit der Kündigung 44 Jahre alt und seit 22 Jahren bei der Gemeinschuldnerin, der Firma s.- … GmbH in Ellerau (im folgenden s. genannt), als Stahlformenbauer/Gruppenleiter zu einem zuletzt erzielten Arbeitsentgelt von 5.450,– DM brutto beschäftigt. Am 5. August 1993 wurde über das Vermögen von s. und der Firma D. v. De. GmbH & Co. – im folgenden D. genannt –, die Betriebsstätten in Wuppertal und in Ellerau unterhält, der Konkurs eröffnet und in beiden Verfahren der Beklagte zum Konkursverwalter bestellt. S. produzierte Formen für Kunststoffspritzteile; die D. stellte Kunststoffspritzteile für die Autoindustrie her.
Ob der Konkursverwalter bereits von Anfang 1994 die s. mit dem Ziel einer reibungslosen Betriebsschließung geführt hat, weil sich keine Veräußerungsmöglichkeit auftat und Aufträge nicht mehr vorhanden waren, ist zwischen den Parteien streitig. Mitte April 1994 zeichnete sich ab, daß die Masse nicht ausreichen würde, das Unternehmen über den 31. Mai 1994 hinaus auch nur für einen weiteren Monat fortzuführen. Daraufhin kündigte der Beklagte der überwiegenden Anzahl der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis am 2. Mai 1994. Auch der Kläger fiel unter die an diesem Tage gekündigten Arbeitnehmer, ihm wurde die Kündigung zum 30. Juni 1994 erklärt. Ein weiterer Teil der Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin erhielt seine Kündigung am 27. April 1994.
Das Betriebsgelände in Ellerau wurde durch insgesamt drei Unternehmen genutzt, nämlich die Firmen D., s. und eine Firma M. Alle drei Unternehmen waren in einer großen Produktionshalle tätig, die durch Blechwände in drei Unterabschnitte geteilt ist. Der größere Teil der Halle wurde von der Firma D. genutzt, der Rest der Halle teilte sich in zwei etwa gleich große Abschnitte auf, die von den Firmen s. und M. genutzt wurden.
Die einzelnen Bereiche der Halle waren durch Tore miteinander verbunden, die nachts zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr abgeschlossen wurden. Tagsüber bestand die Möglichkeit, durch diese Tore von den Betriebsräumen D. in die Betriebsräume s. und die Betriebsräume M. zu gelangen. Alle drei Unternehmen hatten einen gemeinsamen Pförtner, dessen Kosten von D. getragen und anteilig auf s. und M. umgelegt wurden. Ein Bürogebäude wurde von den Firmen D. und s. entsprechend gemeinsam genutzt; der Empfang im Bürogebäude war durch Mitarbeiter des Unternehmens s. besetzt. Die Personalkosten wurden nach einem bestimmten Schlüssel zwischen s. und D. aufgeteilt und monatlich abgerechnet. Die Firma s. nutzte entsprechend der zwischen den Unternehmen getroffenen Absprachen die Telefonanlage mit, ebenso die Sozialräume und den Parkplatz der Firma D. Die Zeiterfassungssysteme beider Unternehmen waren von der gleichen Firma installiert und miteinander verbunden worden, so daß es theoretisch möglich war, daß ein Mitarbeiter der Firma s. in dem in der D.-Betriebshalle aufgehängten Zeiterfassungsgerät „stempelt”. Verträge mit Versorgungsunternehmen wurden einheitlich geschlossen und Kosten aufgeteilt. Seit einigen Jahren gab es für beide Unternehmen einen gemeinsamen Betriebsrat, der letztmals im Frühjahr 1994 als einheitlicher Betriebsrat gewählt wurde; die Wahl war nicht angefochten worden. Geschäftsführer beider Unternehmen war bis zur Konkurseröffnung Herr Ernst-August Ma., der aber in Ellerau nicht anwesend war. Bei D. hatten die Herren Fe., Hü., Z. und W. Handlungsvollmacht. ...