Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleichstellungsabrede. dynamische Verweisung. OT-Mitgliedschaft. Nachwirkung
Leitsatz (redaktionell)
Die Bezugnahme in einem Arbeitsvertrag auf einen Tarifvertrag ist im Zweifel als eine dynamische Verweisung auszulegen und stellt typischerweise eine Gleichstellungsabrede dar. Der Arbeitnehmer nimmt an der Tarifentwicklung unabhängig von seiner eigenen Tarifgebundenheit teil, als ob er tarifgebunden wäre (im Anschluss an BAG Urteil v. 26.09.2001 – 4 AZR 544/00)
Normenkette
TVG § 3 Abs. 3, § 4 Abs. 5
Verfahrensgang
ArbG Elmshorn (Urteil vom 17.02.2005; Aktenzeichen 2 Ca 1841 c/04) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 17.02.2005 – 2 Ca 1841 c/04 – teilweise abgeändert:
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 547,94 EUR brutto nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 21.09.2004 zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 677,16 EUR brutto nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.02.2005 zu zahlen.
- Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 10 % und die Beklagte zu 90 %.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Frage, ob und ggf. in welcher Höhe der Klägerin für das Jahr 2004 zusätzliches Urlaubsgeld und eine Sonderzuwendung zusteht.
Die Klägerin ist am … 1948 geboren. Bei der Beklagten wurde sie zunächst mit Wirkung vom 02.05.1980 als geringfügig beschäftigte Arbeitnehmerin eingestellt. Gemäß Arbeitsvertrag vom 03.08.1987 (Bl. 7. d. A.) wurde sie ab dem 01.08.1987 als Verkaufshilfe im Markt in W. weiterbeschäftigt. Die Vergütung betrug zuletzt 1.195 EUR brutto monatlich bei 24 Stunden je Woche.
Der Arbeitsvertrag hat u. a. folgende Regelungen:
§ 12
Für alle übrigen, in diesem Anstellungsvertrag nicht besonders geregelten Fragen (z. B. Urlaub usw.) gelten die Bestimmungen des vom Einzelhandelsverband Schleswig-Holstein mit den Gewerkschaften abgeschlossen, jeweils geltenden Mantel- und Gehalts-Tarifvertrags für Arbeitnehmer im Einzelhandel von Schleswig-Holstein. Der Arbeitnehmer erklärt, daß diese tarifvertraglichen Bestimmungen sowie die etwa vorhandene Betriebsordnung bekannt sind.
Zu dieser Zeit waren die einschlägigen Tarifverträge für den Einzelhandel in Schleswig-Holstein allgemeinverbindlich. Die Klägerin wurde im März 1992 Mitglied der Deutschen Angestelltengewerkschaft (Bl. 50 d. A.). Die Beklagte, die zuvor Mitglied im Einzelhandelsverband gewesen war, beantragte mit Schreiben vom 02.04.1999 (Bl. 57 d. A.) die OT-Mitgliedschaft mit sofortiger Wirkung.
Der Einzelhandelsverband Nord-Ost e.V. sieht in seiner Satzung hierzu folgendes vor:
§ 4a Mitgliedschaft ohne Tarifbindung
- Bei Tarifverträgen, die nicht für allgemeinverbindlich erklärt sind, können die Mitglieder den Ausschluss der Tarifbindung erklären. Die Erklärung ist schriftlich an den Sitz der Hauptgeschäftsführung in Kiel zu richten. Sie wirkt zum Ablauf der jeweils geltenden Tarifverträge. Danach gelten die Grundsätze der Nachwirkung gem. § 4 Abs. 5 des Tarifvertragsgesetzes. Die Erklärung kann jederzeit widerrufen werden.
- Nicht tarifgebundene Mitglieder sind nicht berechtigt, an Abstimmungen über tarif-politische Entscheidungen mitzuwirken.
Die Tarifverträge im Einzelhandel wurden im Jahr 1999 gekündigt, und zwar von der DAG mit Schreiben vom 29.06.1999 (Bl. 81 d. A.) zum 31.12.1999 und von der HBV mit Schreiben vom 16.07.1999 (Bl. 82 d. A.) zum 31.01.2000. Eine neue Vereinbarung über tarifliche Sonderzahlungen für Beschäftigte im Einzelhandel von Schleswig-Holstein ist bislang nicht abgeschlossen worden. Die Vereinbarung über tarifliche Sonderzahlungen für Beschäftigte im Einzelhandel von Schleswig-Holstein, gültig ab 01.01.1997, enthält u. a. folgende Regelungen:
§ 3 Höhe des Urlaubsgeldes
1. Das Urlaubsgeld beträgt für Erwachsene
ab 01.01.1998: 50 %
des jeweiligen tariflichen Entgeltanspruchs des letzten Berufsjahrs der Verkäufer/innengruppe (Gehaltstarifvertrag, Gruppe B 1) des jeweils am 01.01. gültigen Gehaltstarifvertrages.
3. Teilzeitkräfte erhalten ein ihrer Arbeitszeit entsprechendes anteiliges Urlaubsgeld (tatsächliche durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit im Verhältnis zur regelmäßigen tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit).
§ 7 Höhe der tariflichen Sonderzuwendung
1. Die tarifliche Sonderzuwendung beträgt 60 %
des jeweils den Anspruchsberechtigten zustehenden monatlichen Tarifentgeltes.
2. Stichtag für die Berechnung der Sonderzuwendung ist jeweils das Tarifentgelt für den Monat November oder den Monat des vorzeitigen Ausscheidens
Im Jahr 2002 erhielt die Klägerin ein Urlaubsgeld von 648 EUR, im Jahr 2003 nur noch 285 EUR. Im Jahr 2002 erhielt sie eine Sonderzuwendung von 770 EUR und im Jahr 2003 keine Leistung. Hiergegen hat die Klägerin sich nicht gewehrt. Nachdem die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 30.08.2004 zum 28.02.2005 gekündigt hatte, ...