REVISION ZUGELASSEN JA
Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütung. Arztbesuch. Stundenfrist. medizinische Gründe
Leitsatz (amtlich)
Der tarifgebundene Metallarbeitgeber – Manteltarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte für die Metallindustrie Hamburg und Umgebung sowie Schleswig-Holstein – ist dem Arbeitnehmer für die Dauer des Arztbesuches während der Arbeitszeit zur Tariflohnzahlung verpflichtet, wenn die Behandlung infolge bestimmter, sich aus der Art. der Behandlung ergebender Stundenfristen aus medizinischen Gründen zu dem Zeitpunkt des Arztbesuches durchgeführt werden mußte. Die Regelung erfaßt die Behandlung innerhalb von Stunden, nicht aber die Behandlung innerhalb mehrerer Tage. Die medizinischen Gründe sind im Streitfall vom Arbeitnehmer als anspruchsbegründende Tatsachen substantiiert vorzutragen. Terminliche Schwierigkeiten in der Organisation der Arztpraxis fallen nicht unter die medizinischen Gründe des § 11 MTV. § 616 BGB ist in bezug auf Arztbesuche wahrend der Arbeitszeit durch die abschließende Regelung des § 11 MTV ersetzt.
Normenkette
Manteltarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte für die Metallindustrie Hamburg und Umgebung sowie Schleswig-Holstein § 11; BGB § 616
Verfahrensgang
ArbG Neumünster (Urteil vom 06.02.1992; Aktenzeichen 1 d Ca 926/91) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 6. Februar 1992 – 1d Ca 926/91 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen
Die Revision gegen das Urteil wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Tariflohn für die Zeit eines Arztbesuches.
Der Kläger ist bei der Beklagten als Arbeitnehmer beschäftigt. Die Parteien sind Mitglieder der Tarifvertragsparteien des Manteltarifvertrages für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte für die Metallindustrie Hamburgs und Umgebung sowie Schleswig-Holstein.
Der Kläger, wohnhaft in H. 50, dessen Arbeitszeit um 6.00 Uhr beginnt, suchte am 17.04.1991 den Zahnarzt Dr. Sch. in H. 36 auf, um eine fünf Tage vorher begonnene Behandlung fortsetzen zu lassen. Die Behandlung dauerte von 8.30 Uhr bis 10.30 Uhr. Im Betrieb der Beklagten erschien er wieder um 11.15 Uhr und stempelte um 12.00 Uhr.
Mit seiner Klage fordert der Kläger Lohn für fünf Stunden a 19,65 DM brutto, zusammen 89,25 DM brutto.
Der Arzt Dr. Sch. hat dem Kläger im Laufe des Rechtsstreits unter dem 31.10.1991 folgende Bescheinigungen ausgestellt:
Hiermit wird bestätigt, daß die Behandlung von Herrn U. S. am 17.04.1991 aus medizinischen Gründen notwendig war, um die am 12.04.1991 begonnene Behandlung fortzusetzen. Die Behandlung dauerte von 8.30 bis 10.30.
Ebenso wird bestätigt, daß es nicht möglich war, den Zeitpunkt der Behandlung außerhalb der Arbeitszeit von Herrn U. S. zu legen.
Der Kläger hat behauptet: Die Behandlung sei während der Arbeitszeit aus medizinischen Gründen notwendig gewesen. Diese Notwendigkeit habe der Arzt in seinem Attest bescheinigt. Durch Vorlage dieses Attestes seien die Voraussetzungen für die Lohnfortzahlung erfüllt. Nähere detallierte medizinische Aussagen brauche die Bescheinigung nicht zu enthalten. Auch in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, deren finanzielle Auswirkungen erheblich größer seien, bräuchten keinerlei medizinische Hinweise enthalten zu sein. Umso weniger sei dies bei einer hier vorzulegenden Bescheinigung erforderlich.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 98,25 DM brutto zuzüglich 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag seit dem 01.05.1991 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte war der Ansicht, daß die tariflichen Voraussetzungen für die Zahlung des Lohnes nicht gegeben seien.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und seine Entscheidung darauf gestützt, daß die Tatbestandsvoraussetzungen der tariflichen Vorschrift nicht vorlägen. § 11 Nr. 4 c) des Manteltarifvertrages für die Metallindustrie in Hamburg und Schleswig-Holstein kenne drei Fälle, bei denen die Stunden des Arztbesuches für höchstens vier Stunden am Tag bezahlt würden. Der Fall der akuten ernsthaften Erkrankung werde vom Kläger selbst nicht behauptet. Der Arzt habe aus medizinischen Gründen eine Untersuchung während der Arbeitszeit ebenfalls nicht angeordnet, denn der Kläger sei nicht untersucht, sondern behandelt worden. Schließlich bestehe ein Anspruch, wenn die Behandlung aus sich ergebenden Stundenfristen aus medizinischen Gründen zu diesem Zeitpunkt durchgeführt werden müsse. Der Kläger habe selbst nicht behauptet, daß diese Behandlung aufgrund der Behandlung an fünf Tagen vorher innerhalb von Stundenfristen, also fünf mal 24 Stunden, erfolgen müsse. Auch ein Anspruch aus § 616 BGB sei nicht gegeben. Wegen der weiteren Gründe wird auf die Entscheidungsgründe im angefochtenen Urteil verwiesen.
Gegen das ihm am 17. März 1992 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster richtet sich die am 21. April 1992 eingelegte und am 20. Mai 1992 begründete Berufung des Klägers.
Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanz...