Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung. außerordentlich. verhaltensbedingt. Arbeitsunfähigkeit, Nachweis. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Vorlage am ersten Tag. Verletzung der Anzeigepflicht. Abmahnungen. mehrere Abmahnungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Arbeitgeberin kann zulässig von ihrem Arbeitnehmer die Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht nur ab dem ersten Tag, sondern bereits am ersten Tag verlangen. Diese Vorlage kann die Arbeitgeberin verlangen, ohne dass sie eine Begründung hierfür geben muss. Es ist nicht erforderlich, dass diese darlegt, dass Anlass für rechtsmissbräuchliches Verhalten des Arbeitnehmers im Zusammenhang mit der Arbeitsunfähigkeit vorliegt.
2. Der Verstoß des Arbeitnehmers gegen eine solche Vorlageverpflichtung kann einen wichtigen Grund für die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses darstellen.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1; EntgeltfzG § 5 Abs. 1; TVöD § 34
Verfahrensgang
ArbG Elmshorn (Urteil vom 09.03.2009; Aktenzeichen 1 Ca 2119 b/08) |
Tenor
Die Berufungen beider Parteien gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 09.03.2009 – 1 Ca 2119 b/08 – werden zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung tragen der Kläger zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Der Kläger ist 47 Jahre alt und bei der Beklagten seit dem 15.12.1983 als Arbeiter auf dem Schilderwagen beschäftigt, allerdings ohne diesen zu steuern. Seine Vergütung betrug zuletzt 1.300,00 EUR brutto. Dieses Arbeitsverhältnis hat die Beklagte mit Schreiben vom 02.12.2008 außerordentlich fristlos sowie gleichzeitig und hilfsweise außerordentlich mit sozialer Auslauffrist bis zum 30.06.2009 gekündigt. Die Kündigungserklärung ging dem Kläger am 04.12. 2008 zu.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet auf der Grundlage des zwischen ihm geschlossenen Arbeitsvertrages gemäß § 2 TVÜ/VKA der TVöD Anwendung. Vor Beginn der Geltung des TVöD fand auf das Arbeitsverhältnis der Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe Anwendung. Es sind regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt.
Nach früheren Krankheitszeiten wurde dem Kläger am 30.07.2008 aufgegeben, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bereits ab dem 1. Tag der arbeitsbedingten Arbeitsunfähigkeit vorzulegen. Am 02.10.2008 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für diese Arbeitsunfähigkeit legte er erst am 13.10.2008 vor. Am 13.10.2008 wurde mit dem Kläger deshalb ein Gespräch geführt und eine Abmahnung ausgesprochen, in der ihm vorgehalten wurde, dass er gegen die Weisung, unverzüglich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen, verstoßen habe. Am 21.10.2008 war der Kläger erneut krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung legte er am 23.10.2008 vor. Unmittelbar darauf führte Herr P. für die Beklagte ein Gespräch mit dem Kläger, in dem dieser auf die verspätete Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hingewiesen wurde. Herr P. rügte das Verhalten und drohte für den Wiederholungsfall arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses an. Am 29.10.2008 war der Kläger erneut arbeitsunfähig krank. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung legte der Kläger am 03.11.2008 bei der Beklagten vor. Nach Angaben der Beklagten wurde dem Kläger am 06.11.2008 eine ihm am gleichen Tag zugestellte Abmahnung ausgesprochen (Anlage B 1, Bl. 18 f. d. A., auf der der Vermerk „im Briefkasten ungefähr 12.30 Uhr” mit dem Kürzel des Herrn P. zu finden ist). Der Kläger bestreitet, diese Abmahnung erhalten zu haben. Am 25.11.2008 legte der Kläger eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum ab 11.11.2008 und ab 21.11.2008 vor. Nach erfolgter Anhörung stimmten sowohl Personalrat als auch Gleichstellungsbeauftragte der Kündigung zu.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sowohl als außerordentlich fristlose, als mit sozialer Auslauffrist unwirksam. Das Arbeitsverhältnis sei tariflich ordentlich unkündbar. Er habe sich – unstreitig – immer rechtzeitig telefonisch arbeitsunfähig gemeldet und die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seinem Mieter zur Übergabe an die Beklagte übergeben. Die Beklagte sei durch die Regelung zur späteren Zahlung des Arbeitsentgelts bei fehlender Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausreichend geschützt. Im Rahmen der Abwägung sei die lange Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen. Demgegenüber komme einer bloßen Respektlosigkeit geringes Gewicht zu.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, dass die fristlose Kündigung vom 2. Dezember 2008 sowie die darin gleichzeitig erklärte fristgemäße Kündigung zum 30. Juni 2009 unwirksam sind. Die Beklagte hat beantragt,
die Klage wird abgewiesen.
Sie hat die Auffassung vertreten, sie müsse die fortwährende Nichtberücksichtigung der Anweisung zur Beibringung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht hinnehmen. Der Kläger sei verpflichtet, diese Anweisung zu beachten. B...