Entscheidungsstichwort (Thema)
Benachteiligungsfreie Gewährung eines längeren Erholungsurlaubs für ältere Beschäftigte. Unbegründeter Feststellungsantrag zum Umfangs des Urlaubsanspruchs
Leitsatz (amtlich)
1. Die Regelung in § 22 Ziff. 2 Manteltarifvertrag D..., nach der die Dauer des Erholungsurlaubs 28 Tage beträgt, nach Vollendung des 50. Lebensjahres 30 Arbeitstage, ist rechtswirksam, insbesondere nicht in unzulässiger Weise altersdiskriminierend. Sie trägt dem Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer Rechnung.
2. Die den Tarifvertragsparteien zukommende Einschätzungsprärogtative haben diese weder durch die Annahme eines gesteigerten Erholungsbedürfnisses älterer Arbeitnehmer noch durch die Festlegung der Altersgrenze für den zusätzlichen Urlaub auf 50 Jahre noch dadurch überschritten, dass sie im MTV D... nicht danach differenziert haben, ob der betroffene Arbeitnehmer oder dessen Berufsgruppe konkret mit körperlich besonders belastenden Tätigkeiten befasst ist.
Normenkette
AGG §§ 1, 3 Abs. 1, §§ 7, 10; MTV § 22 Nr. 2; AGG § 7 Abs. 1, § 10 Sätze 1, 3 Nr. 1; MTV § 22 Nr. 2 S. 1; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Kiel (Entscheidung vom 19.03.2015; Aktenzeichen 5 Ca 2124 a/14) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 19.03.2015 - 5 Ca 2124 a/14 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Umfang des Urlaubsanspruchs der Klägerin.
Die 1980 geborene Klägerin ist seit dem 01.01.2005 als Physiotherapeutin in der von der Beklagten betriebenen Klinik beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Manteltarifvertrag D. (MTV D.) Anwendung. Dieser regelt auszugsweise:
§ 22 Erholungsurlaub
2. Die Dauer des Erholungsurlaubs beträgt 28 Arbeitstage, nach Vollendung des 50. Lebensjahres 30 Arbeitstage. Die Lage des Urlaubs wird individuell zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Rahmen der Urlaubsplanung vereinbart.
Protokollnotiz zu § 22 Ziffer 2:
Arbeitnehmern, die vor Inkrafttreten dieses Tarifvertrages einen höheren Urlaubsanspruch haben, bleibt dieser als Besitzstand gewahrt. Maßgeblich ist der Urlaubsanspruch am 31. Dezember 2006.
8. Für geleistete Nachtarbeit erhalten Arbeitnehmer, die in einem Kalenderjahr die folgenden Nachtarbeitsstunden geleistet haben, einen Zusatzurlaub:
ab 50 Nachtarbeitsstunden 1 Arbeitstag
ab 75 Nachtarbeitsstunden 2 Arbeitstage
ab 175 Nachtarbeitsstunden 3 Arbeitstage
ab 225 Nachtarbeitsstunden 4 Arbeitstage.
Arbeitnehmer, die ständig Schichtarbeit leisten, erhalten einen Zusatzurlaub von einem Arbeitstag unabhängig davon, ob 50 Nachtarbeitsstunden erreicht werden.
Nach § 13 Ziffer 1 c MTV soll mit vollbeschäftigten Arbeitnehmern auf Antrag eine geringere als die regelmäßige Arbeitszeit vereinbart werden, wenn sie das 50. Lebensjahr vollendet haben.
Nach Übernahme der Beklagten durch den H.-Konzern fanden Tarifverhandlungen zur Einbindung der ehemaligen D.-Gesellschaften und auch der Beklagten in das H.-Tarifgefüge statt. Diese blieben bislang ohne Erfolg. Die Beklagte gewährte ihren Mitarbeitern in den Jahren 2012 und 2013 jeweils 30 Urlaubstage, wobei sie mit Schreiben vom 29. Juli 2013 für das Jahr 2013 erklärte, dass die Gewährung des Erholungsurlaubs in diesem Umfang für das Jahr 2013 ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erfolge und sich daraus für die künftigen Jahre keinerlei Rechte ergäben. Im Jahr 2014 gewährte die Beklagte der Klägerin 28 Urlaubstage unter Hinweis auf die tarifliche Regelung.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die in § 22 Nr. 2 MTV D. vorgesehene Altersgrenze von 50 Jahren für den erhöhten Erholungsurlaub sei wegen Altersdiskriminierung unwirksam. Es möge zutreffend sein, dass ältere Arbeitnehmer unter Umständen ein gesteigertes Erholungsbedürfnis hätten; dieses Ziel hätten die Tarifvertragsparteien aber nicht vor Augen gehabt. Es gebe auch keine entsprechende Protokollnotiz. Im Übrigen sei die Tätigkeit als Physiotherapeutin nicht derart körperlich belastend, dass sie eine Ungleichbehandlung rechtfertigen könne.
Die Beklagte hat die Wirksamkeit der tariflichen Regelung verteidigt und Statistiken vorgelegt, nach denen ihre Mitarbeiter jenseits des 50. Lebensjahres höhere Arbeitsunfähigkeitszeiten aufwiesen als die jüngeren. Die älteren Mitarbeiter hätten ein erhöhtes Erholungsbedürfnis. Dies hätten die Tarifvertragsparteien berücksichtigen dürfen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands in erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Klägerin stünden weder vertraglich noch tariflich Ansprüche auf zusätzliche zwei Urlaubstage zu. Die tarifliche Differenzierung nach dem Alter sei rechtmäßig. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
Gegen das am 02.04.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30.04.2015 Berufung eingelegt und diese am 02.06.2015 begründet.
Sie wieder...