Entscheidungsstichwort (Thema)
Bezugnahmeklausel. Auslegung. ergänzend. BAT/ TvöD. Gleichstellungsabrede. Tarifbindung. konstitutiv. Tarifwechsel. Jeweiligkeitsklausel. Firmentarifvertrag. Auslegung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf den BAT/ Anwendbarkeit eines Firmentarifvertrages ohne Tarifbindung
Leitsatz (amtlich)
Bei arbeitsvertraglicher kleiner dynamischer Bezugnahme auf für beide Parteien mangels Tarifbindung nicht einschlägige Tarifverträge sind spätere Firmentarifverträge ohne das Vorliegen besonderer Umstände nicht anwendbar.
Normenkette
BGB §§ 611, 133, 157; TVöD § 20 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Kiel (Urteil vom 22.05.2008; Aktenzeichen 1 Ca 413 d/08) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 22.05.2008 – 1 Ca 413 d/08 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine restliche Sonderzuwendung für 2007 und in diesem Zusammenhang vorrangig darum, ob die Klägerin einen Anspruch kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung aus § 20 Abs. 2 TVöD hat oder nur einen Anspruch aus einem Firmentarifvertrag.
Die Klägerin ist seit dem 01.10.1995 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, der Klinik W. GbR beschäftigt. Sie ist nicht tarifgebunden. Die damalige Arbeitgeberin, die Klinik W. GbR, war es ebenfalls nicht. § 2 des für die Parteien maßgeblichen Formulararbeitsvertrages vom 24.12.1994 lautet wie folgt:
„Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertag (BAT) vom 23. Februar 1961 und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen.”
(Anlage 1 – Bl. 5 d. A.)
Die zunächst in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts betriebene Klinik W. ist nach diversen im Jahre 2000 eingeleiteten gesellschaftsrechtlichen Zwischenschritten der D. AG zugehörig. Sie wurde sodann unter anderem nach Umfirmierung die jetzige Beklagte. Die D. AG war und ist tarifgebunden. Sie schloss mit Geltungsbereich für die Beklagte mit Datum vom 27.03.2007 mit den Gewerkschaften ver.di und NGG einen Firmentarifvertrag über die Gewährung einer jährlichen Sonderzahlung (im Folgenden: Firmen-TV Sonderzahlung). Danach bemisst sich die Höhe einer Sonderzahlung nach der Höhe der Entwicklung des Betriebsergebnisses (EBITDA) des Konzerns der D. AG. Gemäß § 5 Ziffer 12 dieses Tarifvertrages ist Mitgliedern der Gewerkschaften ver.di und der NGG im Jahre 2007 mindestens eine Jahressonderzahlung von 70 % eines durchschnittlichen Monatsgehaltes garantiert, Nichtgewerkschaftsmitgliedern hingegen nur ein wesentlich geringerer Faktor – 2007 hochgerechnet rund 28 % eines durchschnittlichen Monatsgehaltes –. In § 6 TV Sonderzahlung heißt es unter anderem:
„Diese Vereinbarung ersetzt folgende Tarifverträge und tarifliche Regelungen:
§ 20 TVöD/TVöD-Ost
…”
(Anlage 1 – Bl. 65 d. A.).
Die Klägerin erhielt anstelle der früheren Sonderzuwendungszahlungen nach BAT/TVöD als Nichtgewerkschaftsmitglied auf Basis des Firmentarifvertrages für das Jahr 2007 zunächst nur 651,32 EUR brutto. Sie begehrt mit der vorliegenden Klage die Jahressonderzuwendung nach § 20 TVöD in Höhe von 90 % des in den Kalendermonaten Juli, August und September 2007 durchschnittlich gezahlten monatlichen Entgeltes, das sind 2.326,13 EUR. Mit der vorliegenden, am 4. März 2007 eingegangenen Klage hat die Klägerin daher erstinstanzlich nach außergerichtlicher Geltendmachung vom 17.12.2007 restliche 1.674,81 EUR brutto geltend gemacht (2.326,13 EUR abzüglich 651,32 EUR = 1.674,81 EUR).
Zwischen den Instanzen hat die Beklagte weitere 86,67 EUR brutto gezahlt.
Sie hat die Ansicht vertreten, die Klausel in ihrem Arbeitsvertrag sei konstitutiv und begründe einen Anspruch auf Erhalt einer Jahressonderzuwendung gemäß § 20 TVöD. Der Firmentarifvertrag sei nicht in Bezug genommen worden. Außerdem enthalte letzterer eine unzulässige Differenzierung zwischen Gewerkschaftsund Nichtgewerkschaftsmitgliedern.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.674,81 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.01.2008 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass es sich bei der Klausel um eine Gleichstellungklausel im Sinne der alten BAG-Rechtsprechung handele. Bei diesem Charakter führe ihre Auslegung zur Anwendung des nunmehr am 27.03.2007 geschlossenen Firmentarifvertrages. Die Differenzierung zwischen Gewerkschaftsmitgliedern und Nichtgewerkschaftsmitgliedern in diesem Tarifvertrag sei zulässig.
Das Arbeitsgericht hat der Zahlungsklage stattgegeben. Das ist im Wesentlichen mit der Begründung geschehen, der TVöD sei kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme anzuwenden. Der Arbeitsvertrag erfasse in ergänzender Auslegung auch den den BAT ersetzenden TVöD. Der Firmentarifvertrag stelle keinen den BAT/TVöD ergänzenden oder ablösenden Tarifvertrag dar, da schon die Tarifvertragsparteien nicht identisch seien. Die D. sei er...