Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung in Kleinbetrieb bei längerer Erkrankung und ungewisser Wiedergenesung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Kündigung einer 19 Jahre lang beschäftigten Mitarbeiterin in einem Betrieb mit 5 Arbeitnehmern ist nicht treuwidrig, wenn die Mitarbeiterin bei Zugang der Kündigung bereits längere Zeit erkrankt ist (hier: 2,5 Monate) und auf Nachfrage keine Angaben zu einem möglichen Zeitpunkt der Wiedergenesung machen kann, wenn eine befristete Ersatzeinstellung wegen der Lage auf dem Arbeitsmarkt nicht möglich ist und die Arbeitskraft - wie regelmäßig - dringend benötigt wird.

2. § 242 BGB verlangt in diesem Fall nur, dass ein "irgendwie einleuchtender" Grund für die Kündigung vorliegt, eine dreistufige Prüfung nach den Grundsätzen der sozialen Rechtfertigung einer krankheitsbedingten Kündigung nach § 1 II KSchG erfolgt nicht.

 

Normenkette

BGB § 242; KSchG § 23 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Entscheidung vom 25.03.2014; Aktenzeichen 3 Ca 2678/13)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 25.03.2014 - 3 Ca 2678/13 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren nur noch über die Rechtmäßigkeit einer Kündigung.

Die 1966 geborene Klägerin ist seit dem 01.11.1994 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern als Rechtsanwalts- und Notarfachangestelle mit Schwerpunkt im Notariat auf Grundlage eines schriftlichen Anstellungsvertrags (Anlage K1, Blatt 8 der Akte) tätig. Die Beklagte beschäftigt in ihrer Rechtsanwalts- und Notarkanzlei einschließlich der Klägerin fünf Arbeitnehmer.

Seit dem 16.07.2013 ist die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Nachdem mindestens ein Telefonat über den Zeitpunkt ihrer Rückkehr an ihren Arbeitsplatz geführt worden war, kündigte die Beklagte mit am 30.09.2013 der Klägerin zugegangenem Schreiben das Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 30.04.2014. Zum 01.04.2014 stellte sie eine neue Arbeitskraft ein.

Gegen die Kündigung hat die Klägerin fristgemäß Klage erhoben und deren Unwirksamkeit wegen eines Verstoßes gegen das Gebot der Wahrung eines Mindestmaßes an sozialer Rücksichtnahme geltend gemacht.

Die Beklagte hat erstinstanzlich u.a. ausgeführt, einer ihrer Gesellschafter habe, nachdem er am 22.08.2013 eine weitere Erstbescheinigung eines Orthopäden erhalten habe, sich telefonisch bei der Klägerin erkundigt, mit welchen weiteren Ausfallzeiten er rechnen müsse. Darauf habe diese erklärt, hierzu keine Aussagen machen zu können.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Die Kündigung sei nicht treuwidrig. Vielmehr hätten bei Zugang der Kündigung objektiv einleuchtende Gründe für deren Ausspruch vorgelegen. Die Klägerin sei bereits länger als zwei Monate arbeitsunfähig gewesen, die Beklagte habe nicht gewusst, wie lange die Arbeitsunfähigkeit noch andauern werde. Die von der Klägerin vorgelegten Erstbescheinigungen verschiedener Fachärzte hätten eher dafür gesprochen, dass es sich um eine medizinisch nicht ganz einfache Situation gehandelt habe. Die Klägerin habe auch insbesondere auf Fragen nach einer Prognose erklärt, dass sie nicht sagen könne, mit welchen weiteren Ausfallzeiten zu rechnen sei. Die Beklagte benötige, worauf die Klägerin selbst hingewiesen habe, eine qualifizierte Fachkraft für das Notariat. Mit der Klägerin sei eine ausgesprochen engagierte und gute Mitarbeiterin ausgefallen. Die Suche nach einem kurzfristigen Ersatz sei nicht erfolgreich gewesen. Dass die Beklagte dann die Chance ergriffen und eine andere Reno- Fachangestellte mit Wirkung zum April 2014 eingestellt habe, habe dem betrieblichen Interesse an einer möglichst schnellen und zuverlässigen Lösung entsprochen, die durch den Ausfall der Klägerin im Notariat begründet worden sei. Damit sei gleichzeitig die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung der Klägerin entfallen.

Gegen dieses ihr am 17.04.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 16.05.2014 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 17.07.2014 am 17.07.2014 begründet.

Sie trägt vor:

Die Kündigung verstoße gegen § 242 BGB und sei nichtig. Ihr durch langjährige

Mitarbeit erdientes Vertrauen in den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses dürfe nicht unberücksichtigt bleiben. Sie sei bei Zugang der Kündigung 47 Jahre alt und 19 Jahre im Unternehmen beschäftigt gewesen. An ihrer hervorragenden Qualifikation und fachlichen Kompetenz bestünden keine Zweifel. Sie habe in der Vergangenheit keine über das übliche Maß hinausgehenden Fehlzeiten aufgewiesen. Zu der längeren Arbeitsunfähigkeit sei es aufgrund einer unvorhersehbaren Komplikation bei einer im Juli 2013 durchgeführten Operation gekommen. Es fehle an einer negativen Gesundheitsprognose. Eine erhebliche Beeinträchtigung wirtschaftlicher Inter...

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