Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsnorm. Nachwirkung. Verbot des Outsourcings. Tarifvertrag. schuldrechtliche Verpflichtung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Regelung im Tarifvertrag, dass Maßnahmen des Outsourcings ausgeschlossen sind, es sei denn, sie sind zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen zwingend erforderlich, wobei insgesamt die Zustimmung der Gewerkschaft vorliegen muss, kann sowohl lediglich schuldrechtliche Verpflichtung als auch Betriebsnorm sein.

2. Eine schuldrechtliche Verpflichtung liegt vor, wenn lediglich Verhaltens- und Verhandlungspflichten der Tarifvertragsparteien vereinbart werden.

3. Zur Nachwirkung einer Betriebsnorm und zum konkludenten Ausschluss

 

Normenkette

TVG § 1 I, § 3 II, § 4 I 2, § 4 V; GG Art. 12

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Urteil vom 26.06.2008; Aktenzeichen 1 Ca 1040/08)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 26.01.2011; Aktenzeichen 4 AZR 159/09)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 26.06.2008 – 1 Ca 1040/08 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. (Beide Rechtszüge)

Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin gegen die Beklagte aus einem sogenannten Personalüberleitungstarifvertrag einen Anspruch auf Unterlassung des Out-sourcings der Tätigkeiten/Aufgaben der Wäscherei auf einen Dritten hat.

Die Beklagte betreibt jeweils eine Klinik in B. und M., ferner Alten- und Pflegeheime in A. und in R. sowie eine Kurzzeitpflege in B.. Die Klinik in B., die Kurzzeitpflege sowie die Alten- und Pflegeheime in A. und in R. bilden einen Betrieb. Die Beklagte übernahm die Klinik in B. sowie die Alten- und Pflegeheime in A. und R. im Wege der Einzelrechtsnachfolge vom Kreis S., wobei der Übergang mit Wirkung zum 1. Januar 2002 stattfand. Zuvor schloss die Beklagte mit dem Kreis S. als Veräußerer und dem Personalrat des damaligen Kreiskrankenhauses und der Kreis-Alten- und Pflegeheime in A. und R. einen Personalüberleitungsvertrag mit Datum vom 30. September 2001. In diesem Vertrag vereinbarten die Vertragsparteien gemäß § 17 Abs. 6 zur Kündigung Folgendes:

„Diese vorstehende Vereinbarung ist nicht ordentlich kündbar. Sollte durch ein Gericht die Kündbarkeit festgestellt werden, gilt diese frühestens zum 31.12.2021. Die Kündigungsfrist beträgt dann ein Jahr. Nach Kündigung der Vereinbarung verpflichten sich die Parteien, Verhandlungen über eine Neuregelung aufzunehmen mit dem Ziel, eine Vereinbarung zu treffen, die den Grundsätzen dieses Vertrages entspricht. Bis zum Abschluss einer Neuregelung wirkt diese Vereinbarung gegebenenfalls auch nach einer Kündigung über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus fort (Nachwirkung).”

Wegen der weiteren Einzelheiten des Personalüberleitungsvertrages wird Bezug genommen auf die zur Akte gereichte Kopie (Bl. 66 – 87 d. A.)

Unter dem 24. Oktober 2001 vereinbarte die Beklagte mit der Klägerin den Personalüberleitungstarifvertrag für das Klinikum S. und die Kreis-Alten- und Pflegeheime A. und R., dessen § 2 Abs. 5 Gegenstand dieser rechtlichen Auseinandersetzung zwischen den Parteien ist. Dort heißt es:

„Maßnahmen des Outsourcing sind ausgeschlossen, es sei denn, dass diese zur Vermeidung von betriebsbedingten Kündigungen zwingend erforderlich sind. Alle Maßnahmen des Outsourcing bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der vorherigen Zustimmung der Tarifvertragsparteien.”

In den Schlussbestimmungen dieses Vertrages heißt es unter § 5 Abs. 4:

„Sofern durch den Abschluss dieses Tarifvertrages die Mitgliedschaft im kommunalen Arbeitgeberverband gefährdet ist, vereinbaren die Parteien, dass die §§ 1, 2, 4 und 5 sowie die Anlagen außer Kraft treten und als Anhang zum Personalüberleitungsvertrag ergänzend geregelt werden. Bezüglich Änderung, Ergänzung und Kündigung dieser Vereinbarung gelten die Regelungen des Personalüberleitungsvertrages. Die Regelung des § 3 bleibt unberührt.

Gemäß § 5 Abs. 5 kann der Tarifvertrag mit einer Frist von drei Monaten zum Jahresende gekündigt werden, frühestens zum 31.12.2006.”

Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 19. März 2007 den Personalüberleitungstarifvertrag zum 31. Dezember 2007, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Sie beschloss, die Wäscherei mit Wirkung zum 30. September 2008 vollständig einzustellen und sämtliche Tätigkeiten/Aufgaben des Betriebsteils Wäscherei mit Wirkung ab dem 1. Oktober 2008 an einen Dritten fremd zu vergeben, der diese Tätigkeiten/Aufgaben ausschließlich mit seinen Mitarbeitern erledigen soll. Die Wäschereibetriebsmittel wie Waschmaschinen, Trockner, Mangel, Faltmaschine, Tumbler etc. sollen verschrottet werden, der zukünftige Dienstleister soll keine Betriebsmittel von der Beklagten übernehmen. In der Wäscherei waren zuletzt sechs Arbeitnehmer aktiv tätig. Die Beklagte kündigte diesen Mitarbeitern ordentlich betriebsbedingt oder außerordentlich betriebsbedingt mit sozialer Auslauffrist, hilfsweise ordentlich betriebsbedingt.

Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Bekl...

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