Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Jahressonderzuwendung. Anspruchsausschluß bei „Ruhen” des Arbeitsverhältnisses. Tarifauslegung des Ruhensbegriffs. Ruhen „kraft Gesetzes oder Vereinbarung”. Vertragliche Ruhensklausel
Normenkette
§ 12 Nr. 4 u. 5 MTV für das Bäckerhandwerk in Schleswig-Holstein und Hamburg vom 18.05.1993.
Verfahrensgang
ArbG Flensburg (Urteil vom 04.02.1997; Aktenzeichen 1 Ca 261/96) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 04.02.1997 – Az.: 1 Ca 261/96 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Revision nicht gegeben. Im übrigen wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger die tarifliche Sonderzuwendung für 1995 in ungekürzter Höhe zusteht.
Der Kläger war vom 29.01.1990 bis zum 04.05.1998 bei der Beklagten als Bäcker beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag für das Bäckerhandwerk in Schleswig-Holstein und in der Freien und Hansestadt Hamburg, abgeschlossen zwischen dem Landesinnungsverband des Bäckerhandwerks Schleswig-Holstein, der Bäckerinnung der Hansestadt Hamburg und der Gewerkschaft Nahrung, Genuß, Gaststätten, Landesbezirk Nord, Anwendung (MTV).
§ 12 Nr. 1 MTV sieht die Zahlung einer nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelten prozentualen Jahressonderzuwendung vor.
In § 12 Nr. 4 des MTV in der hier maßgeblichen Fassung vom 18.05.1993, gültig ab 01.01.1993, heißt es hierzu:
„Versicherungspflichtige Beschäftigte, deren Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr ganz oder teilweise ruhen, erhalten keine oder eine anteilige Jahressonderzuwendung…”
Nach § 12 Nr. 5 MTV ist unter den dort näher bestimmten Voraussetzungen die Jahressonderzuwendung wieder zurückzuzahlen. Gemäß § 12 Nr. 5 2. Unterabsatz MTV entfällt die Rückzahlungspflicht, wenn das Arbeitsverhältnis wegen Erreichung der Altersgrenze, Krankheit oder Tod des Beschäftigten endet.
In einem vom Landesinnungsverband des Bäckerhandwerks Schleswig-Holstein herausgegebenen Arbeitsvertragsformular, das schon wenigstens seit 1990 verwendet und auch zwischen den Parteien vereinbart wurde, ist in § 7 Nr. 3 folgende Regelung enthalten:
„Bei einer längeren Unterbrechung der Arbeit (mehr als sechs Wochen) durch Krankheit, unbezahlten Urlaub, Erziehungsurlaub, Fortbildungsmaßnahmen usw., wird das Ruhen des Arbeitsverhältnisses vereinbart.”
Der Kläger erhielt im Jahr 1995 nur für sieben volle Kalendermonate Lohn- bzw. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle. In diesem Jahr hätte die volle Sonderzahlung DM 2.533,80 brutto betragen; die Beklagte zahlte jedoch unter Hinweis auf die vertraglichen und tariflichen Bestimmungen lediglich DM 1.438,23 brutto.
Der Kläger hat gemeint, er habe Anspruch auf die volle Jahressonderzuwendung, da sein Arbeitsverhältnis während der Krankheitszeiten nicht geruht habe. § 7 Nr. 3 des Arbeitsvertrages sei wegen Verstoßes gegen den geltenden Tarifvertrag nichtig. Tarifvertragsbestimmungen seien Mindestnormen und könnten durch Einzelarbeitsverträge nicht unterlaufen werden.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 1.095,56 brutto zzgl. 4 % Zinsen auf den sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 25.01.1996 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe nach dem MTV nur Anspruch auf eine anteilige Jahressonderzuwendung, weil sein Arbeitsverhältnis aufgrund der einzelvertraglichen Vereinbarung, an deren Wirksamkeit kein Zweifel bestehen könne, im Kalenderjahr 1995 teilweise geruht habe.
Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils nebst seinen Verweisungen Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht Flensburg hat durch Urteil vom 04.02.1997 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:
Der Anspruch sei gemäß § 12 Nr. 4 S. 1 MTV ausgeschlossen, da das Arbeitsverhältnis im Jahre 1995 fünf Monate geruht habe. Aus dem Tarifvertrag lasse sich eine Beschränkung des Anspruchsausschlusses lediglich auf den Fall eines gesetzlichen Ruhens nicht ableiten. Zwar könne eine langanhaltende Krankheit nicht dazu führen, daß das Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes ruhe. Vorliegend habe das Arbeitsverhältnis jedoch kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung geruht, was zu einem Anspruchsausschluß führe. Eine Beschränkung auf ein Ruhen kraft Gesetzes könne weder dem Wortlaut des Tarifvertrages noch dem systematischen Zusammenhang, in dem die tarifliche Vorschrift stehe, entnommen werden. Die Möglichkeit der Vereinbarung des Ruhens widerstreite mit keiner anderen Tarifvorschrift.
Ein anderes Ergebnis folge auch nicht aus der Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages. Die vom Arbeitsgericht eingeholten Auskünfte der Tarifvertragsparteien hätten sich – erwartungsgemäß – widersprochen und keine Klärung gebracht.
Die Entstehungsgeschichte spreche eher gegen eine Beschränkung auf das Ruhen kraft Gesetzes. Der tarifschlie...