Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerberatergesellschaft. Sozietät. Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Liquidation. Kündigung. Vertretung. Auflösung. Arbeitsverhältnis. Arbeitsvertrag. Vertragspartner. Kündigungsberechtigter. Arbeitgeber

 

Leitsatz (amtlich)

Mit dem Eintritt eines Steuerberaters als Sozius in eine Steuerberaterpraxis wird auch er im Rahmen der BGB-Gesellschaft Vertragspartner der für ihn tätig werdende Arbeitnehmer des Steuerberaterfirmengründers. Ein Arbeitsverhältnis mit der Sozietät kann im Regelfall nur von und gegenüber allen auf einer Vertragsseite Beteiligten gekündigt werden. Mit der Aufkündigung der Sozietät durch einen der beiden Steuerberater ist die Sozietät in eine Auseinandersetzungsgesellschaft umgewandelt worden. Die Geschäftsführung steht nur allen Gesellschaftern gemeinsam zu. Die Kündigung gegenüber einem Arbeitnehmer kann rechtswirksam nur gemeinschaftlich erklärt werden. Die von nur einem Gesellschafter gegenüber einem Arbeitnehmer abgegebene Kündigung ist unwirksam.

 

Normenkette

KSchG § 4; BGB §§ 709, 714, 724, 730

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Urteil vom 20.03.1996; Aktenzeichen 5 Ca 2754/95)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten zu 2. gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 20. März 1996 – 5 Ca 2754/95 – wird zurückgewiesen.

Der Beklagte zu 2. trägt die Kosten der Berufung.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung.

Die Beklagten betrieben in Neustadt in Holstein eine Steuerberatungsgesellschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Der Beklagte zu 1. hatte mit Schreiben vom 31.08.1995 die Steuerberatersozietät zum 01.09.1995 gegenüber dem Beklagten zu 2. gekündigt.

Die Klägerin war am 17.03.1980 vom Beklagten zu 1. eingestellt worden und wurde seit Begründung der Sozietät der Beklagten per 01.07.1984 im Betrieb der Steuerberatungsgesellschaft beschäftigt. Der Beklagte zu 2. kündigte der Klägerin mit Schreiben vom 06.09.1995 das „Arbeitsverhältnis mit der Sozietät S. und Sch…” zum 01.09.1995. Er begründete die Kündigung u. a. damit, daß die Rückgabe der Bestellung als Steuerberater durch seinen Sozius S. mit Wirkung zum 01.09.1995 die Sozietät in diesem Zeitpunkt aufgelöst habe, weil S. kein Berufsträger mehr sei.

Er biete ihr an, um Schaden von den Mandanten abzuwenden, sie für eine Übergangszeit von drei Monaten, d. h. bis 30.11.1995 in seiner Einzelpraxis zu beschäftigen.

Die Klägerin war der Ansicht, die Kündigung sei unwirksam; alle Mitarbeiter der Sozietät seien durch Betriebsübergang auf den Beklagten zu 2. übergegangen; die Kündigung sei gem. § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam. Hierzu hat sie behauptet, daß der Beklagte zu 2. den Betrieb selber allein fortführe und alle Mandate aus der Sozietät übernommen habe. Sie war der Meinung, daß die Kündigung auch unwirksam sei, da sie nicht vom Beklagten zu 1. mit unterschrieben worden sei; der Beklagte zu 2. sei einzeln nicht zum Ausspruch von Kündigungen befugt.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die arbeitgeberseitige Kündigung vom 6. September 1995 aufgehoben wurde.

Der Beklagte zu 2. hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte zu 1. war im Termin vom 31.01.1996 säumig.

Insoweit hat die Klägerin beantragt,

eine Entscheidung nach Aktenlage, hilfsweise eine Versäumnisentscheidung gegen den Beklagten zu 1.

Der Beklagte zu 1. hat schriftsätzlich vorgetragen:

Er sei wegen einer Betriebsübernahme durch den Beklagten zu 2. nicht passiv legitimiert. Er sei mit Ablauf des 31.08.1995 aus der Sozietät durch Kündigung aus wichtigem Grund ausgeschieden. Der Beklagte zu 2. führe die Praxis alleine fort. Im Rahmen der Auseinandersetzung der Beklagten habe der Beklagte zu 2. zwar erklärt, er bestehe auf eine Liquidation, tatsächlich habe er aber mit seiner, des Beklagten zu 1., stillschweigenden Billigung die Praxis alleine fortgeführt und die Steuerberaterpraxis übernommen und somit faktisch weitergeführt. Das ergebe sich beispielsweise aus der Betreuung der vom Beklagten zu 1. ursprünglich betreuten Mandate bereits seit Mai 1995, aus der alleinigen Führung der Praxis nach der Kündigung der Sozietät durch ihn, den Beklagten zu 1., aus der Nutzung der gesamten Datenbestände, der EDV-Anlage und der Mitgliedsnummer des Beklagten zu 1. bei der DATEV, aus der Vereinnahmung und Bearbeitung sämtlicher Post, aus der Kündigung durch ihn, dem Beklagten zu 2., allein und aus der Weiterarbeit sämtlicher Mitarbeiter der Sozietät für den Beklagten zu 2..

Der Beklagte zu 2. hat behauptet:

Er habe den Betrieb nicht übernommen; zu einer Betriebsfortführung sei er nicht bereit. Er beharre gegenüber dem Beklagten zu 1. auf eine Realteilung. In den ehemaligen Sozietätsräumen führe er seine Steuerberaterpraxis weiter. Die notwendigen Auseinandersetzungen können nicht von heute auf morgen erfolgen, weswegen er schadensmindernd weiter tätig geblieben sei, da der Beklagte zu 1. sich um nichts mehr gekümmert habe. Unrichtig sei, daß er die Praxis im mündlichen ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?