Entscheidungsstichwort (Thema)
Nettolohnvereinbarung. Auslegung. Fahrtkostenerstattung. Steuerlast. Gesetzesänderung. Nettolohnabrede. Auslegung einer Betriebsvereinbarung. Auswirkungen von Gesetzesänderungen
Leitsatz (amtlich)
1. Wenn die Parteien davon ausgehen, dass nach steuerlichen Vorschriften die Leistung nicht der Steuerpflicht unterliegt und sich dieses nach Abschluss einer Vereinbarung durch eine Gesetzesänderung später ändert, tritt infolge des Fehlens einer ausdrücklichen Vereinbarung über eine etwaige Steuerlast die allgemeine gesetzliche Regel in Kraft, dass der Arbeitnehmer die anfallenden Lohnsteuern zu tragen hat, weil ein Wille des Arbeitgebers, eine etwaige künftige Steuerlast zu tragen, nicht erkennbar ist.
2. Aus einer Sozialplanregelung, Beschäftigten unter bestimmten Voraussetzungen aus Anlass einer Betriebsverlegung Fahrtkosten in Höhe von 100% im 1.Jahr, von 75 % im 2.Jahr und von 50 % im 3. Jahr zu erstatten, ergibt sich regelmäßig kein deutlich erkennbarer Wille des Arbeitgebers, abweichend von der allgemeinen gesetzlichen Steuerlast Regel auch eine bei Abschluss der Vereinbarung noch nicht bestehende, vielmehr erst im Laufe des Erstattungszeitraums durch Gesetzesänderung erstmalig entstehende Steuerlast zu übernehmen.
Das gilt jedenfalls dann, wenn eine etwaige Steuerlast bei den Verhandlungen von keiner Seite thematisiert wurde.
Normenkette
BGB §§ 611, 670; EStG §§ 8, 9 Abs. 2, §§ 39, 40 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Urteil vom 25.09.2007; Aktenzeichen 3 Ca 2228 c/07) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 25.09.2007 – 3 Ca 2228 c/07 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtstreits trägt der Kläger (beide Instanzen).
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, wer von ihnen die Steuerlast auf arbeitsvertraglich geschuldete Fahrtkostenerstattung zu tragen hat. Vorliegend ist ein Zeitraum von acht Monaten (Januar 2007 – August 2007) erfasst.
Der Kläger ist seit 1981 bei der Beklagten beschäftigt, zunächst im Landbetrieb der Beklagten mit Sitz in H. Im Jahre 2006 verlegte die Beklagte den Betriebssitz von H. nach T. Seitdem arbeitet der Kläger in T.
Aus Anlass der Betriebsverlegung schloss die Beklagte mit Datum vom 02.09.2005 einen Sozialplan zum Ausgleich bzw. zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile infolge dieser Betriebsänderung. Der Kläger war als Mitglied des Konzernbetriebsrats an den Verhandlungen beteiligt. Der Sozialplan enthält unter Anderem folgende Regelung:
„2. Fahrtkostenerstattung
- Beschäftigten, die das Beschäftigungsangebot in T. annehmen und den Arbeitsweg nach T. mit dem eigenen PKW zurücklegen, erstattet der Arbeitgeber gegen monatliche Abrechnung Fahrtkosten in Höhe von 0,30 EUR je Entfernungskilometer für drei Jahre. Im 1. Jahr nach erfolgter Betriebsverlegung erstattet der Arbeitgeber 100 %, im 2. Jahr 66 % und im 3. Jahr 33 % der vorgenannten Kosten.
- Beschäftigten, die das Beschäftigungsangebot in T. annehmen und den Arbeitsweg nach T. mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen, erstattet der Arbeitgeber die Kosten der günstigsten Bahnfahrkarte 2. Klasse (wird mit dem Beschäftigten abgestimmt) und die Kosten für den öffentlichen Personalnahverkehr (2. Klasse) gegen Nachweis für drei Jahre. Im 1. Jahr nach erfolgter Betriebsverlegung erstattet der Arbeitgeber 100 %, im 2. Jahr 75 % und im 3. Jahr 50 % der vorgenannten Kosten.
…” (Anlage K 1 – Bl. 7 d. A.).
In Anwendung dieser Regelung erstattete die Beklagte dem Kläger im Jahre 2006 die nachgewiesen monatlichen Fahrtkosten in Höhe von 182,08 EUR ungekürzt.
Mit Wirkung ab 01.01.2007 ist durch eine Gesetzesänderung ein vom Arbeitgeber in Form einer Fahrtkostenerstattung gewährter Aufwendungsersatz für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte in einem begrenzten Umfang steuerpflichtig geworden (vgl. §§ 8, 9 Abs. 2 S. 2 EStG). Da der Arbeitgeber gemäß § 40 Abs. 2 S. 2 EStG insoweit die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 15 % erheben kann, zog die Beklagte dem Kläger, der nunmehr ab 01.01.2007 monatliche Fahrtkosten in Höhe von 184,16 EUR aufbrachte, ab Januar 2007 vom Fahrtkostenerstattungsbetrag – rechnerisch unbeanstandet – Steuern in Höhe von 29,14 EUR monatlich zur Abführung an das Finanzamt ab. Damit ist der Kläger nicht einverstanden und hat am 29.8.2007 Zahlungsklage erhoben. Er macht vorliegend für die ersten acht Monate des Jahres 2007 die Auszahlung der einbehaltenen Steuern geltend.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 233,12 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat dem entgegengehalten, dass Steuerschuldner grundsätzlich der Arbeitnehmer sei und keine hiervon abweichende Vereinbarung getroffen wurde.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat die Sozialplanregelung dahin ausge...