Revision zugelassen ja

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Ist eine Lehrbeauftragte an der Musikhochschule Lübeck Arbeitnehmerin oder freie Mitarbeiterin

 

Leitsatz (amtlich)

Die an der Musikhochschule Lübeck mit vollem Lehrauftrag ständig eingesetzten Lehrbeauftragten sind im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses und nicht als freie Mitarbeiterin tätig.

 

Normenkette

BGB § 611

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Urteil vom 22.09.1983; Aktenzeichen 2b Ca 1411/83)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsberichts Lübeck vom 22.9.1983 geändert.

Es wird festgestellt, daß die Klägerin bei der Musikhochschule L. im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses und nicht als freie Mitarbeiterin tätig ist.

Von den Kosten erster Instanz hat die Klägerin 1/4 und das beklagte Land 3/4 zu tragen.

Das Land hat die Kosten der Berufungsinstanz zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes für die Berufungsinstanz wird neu auf 4.000,– DM festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist seit 1969 Musikdozentin für das Fach Klavier an der Musikhochschule L. Sie steht seit dem 1.3.1971 in einem ununterbrochenen Beschäftigungsverhältnis mit jeweils vollem Lehrauftrag von 9 1/2 Wochenstunden. Auf den Vertrag vom 1.6./14.7.1971 (Bl. 16 d. A.) wird Bezug genommen.

Das beklagte Land zahlte bis einschließlich 1981 die Arbeitgeberanteile für die Rentenversicherung an die Klägerin. In 1982 zunächst gezahlte Beträge verrechnete es mit der Zahlung der Vergütung für Juni 1982.

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin als Lehrbeauftragte freie Mitarbeiterin im Rahmen eines Dienstvertrages oder Angestellte des beklagten Landes ist.

An der Musikhochschule L. werden ca. 60 % des Lehrangebots durch Lehrbeauftragte wahrgenommen. Ohne deren Mitwirkung wäre ein geordneter Studienbetrieb nicht möglich. Die Lehrbeauftragten sind von den hauptamtlichen Dozenten in tatsächlicher Hinsicht kaum unterscheidbar. Sie nehmen wie diese an Fachgruppensitzungen sowie als Fachprüfer an Aufnahme- und Abschlußprüfungen teil. Sie nehmen im Rahmen ihrer Tätigkeit dieselben Pflichten und Aufgaben wie festangestellte Mitarbeiter wahr. Auch hinsichtlich der Einstellungsvoraussetzungen gibt es keine Unterschiede. Im Vorlesungsverzeichnis werden Lehrbeauftragte ebenso wie die anderen Dozenten aufgeführt.

Die Klägerin meint, Angestellte des beklagten Landes zu sein, weil ein geordneter Lehrbetrieb nur mit den festangestellten Dozenten, denen die freien Mitarbeiter völlig gleichgestellt seien, nicht möglich sei.

Die Klägerin hat vorgetragen, sie sei jedenfalls faktisch in den Lehrbetrieb eingegliedert und gezwungen, Ort und Termin ihrer Übungsstunden mit Rücksicht auf die anderen Verpflichtungen der Studenten und die anderweitige Nutzung der Übungsräume in der Hochschule abzustimmen. Sie könne einzelne Studenten nur deswegen zurückweisen, weil mehr Studenten bei ihr unterrichtet werden wollten, als sie in der vertraglichen Zeit von 9 1/2 Wochenstunden schaffen könne. Bei freier Kapazität könne sie keine Studenten zurückweisen, weil sie dann mit der Beendigung ihres Vertrages rechnen müsse. Aus der Form der von der Klägerin vorgelegten Ladungen zu Prüfungen und Fachgruppensitzungen ergebe sich für sie, daß das Land von Ihrer Verpflichtung zur Teilnahme ausgehe. Da sie ihre Tätigkeit behalten wolle, könne sie nicht riskieren, aus freien Stücken fernzubleiben.

Von den festangestellten Dozenten seien einige wenige Spitzenkräfte beamtete Professoren. Die übrigen seien BAT-Angestellte mit 20–22 Wochenstunden Lehrverpflichtung.

Die Klägerin hat beantragt,

  1. das beklagte Land zu verurteilen, 1.614,36 DM rückständige Arbeitgeberanteile für die Rentenversicherung der Klägerin für das Jahr 1982 an sie zu zahlen,
  2. festzustellen, daß die Klägerin bei der Musikhochschule L. im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses und nicht als selbständige freie Mitarbeiterin tätig ist.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hat die Auffassung vertreten, die Klägerin sei freie Mitarbeiterin und vorgetragen, abgesehen von indirekten Zwängen sei sie frei darin, Ort und Termin ihrer Übungsstunden zu bestimmen. Sie könne bestimmte Studenten ohne Begründung zurückweisen. In der Gestaltung ihres Unterrichtes sei sie frei. Die Klägerin habe freiwillig an Fachgruppensitzungen sowie Aufnahme und Abschlußprüfungen teilgenommen. Allerdings halte das beklagte Land diese Teilnahme für wünschenswert.

Das Arbeitsgericht Lübeck hat die Klage durch Urteil vom 22.9.1983 abgewiesen. Es hat ausgeführt, der Zahlungsantrag sei unzulässig, weil dafür die Sozialgerichte zuständig seien. Der Feststellungsantrag sei unbegründet, weil die Klägerin nicht Arbeitnehmerin sondern freie Mitarbeiterin sei. Abgrenzungskriterium sei das Maß der persönlichen Abhängigkeit. Die Klägerin sei insgesamt nicht von der Musikhochschule persönlich abhängig. Zwar müsse sie ihren Unterricht daran ausrichten, daß viele Studenten das Staatsexamen für Musiklehrer an den öffentlichen Schul...

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