Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenz. Aktivlegitimation. Insolvenzmasse. Pfändungsfreibetrag. Berechnung. Zusammenrechnung von Einkommen. Vollstreckungsgericht. Insolvenz, Aktivlegitimation hinsichtlich des pfändungsfreien Teils des Arbeitseinkommens
Leitsatz (amtlich)
1. Der insolvente Arbeitnehmer ist hinsichtlich der Geltendmachung des pfändungsfreien Teils seines Arbeitseinkommens aktivlegitimiert.
2. Der unpfändbare Teil des Arbeitseinkommens gehört nicht zur Insolvenzmasse. Der Insolvenzverwalter ist daher nicht befugt, das der Zwangsvollstreckung nicht unterliegende Arbeitseinkommen des Schuldners zur Masse einzuziehen.
3. Über die Erhöhung oder Herabsetzung von Pfändungsfreigrenzen entscheidet weder der Arbeitgeber, noch der Insolvenzverwalter, noch die Arbeitsgerichtsbarkeit, sondern ausschließlich das Vollstreckungsgericht.
Normenkette
MTV Hotel- und Gaststättengewerbe Schleswig-Holstein § 14 Ziff. 1; InsO §§ 35-36; ZPO §§ 850c, 850e, 850f
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Urteil vom 20.10.2005; Aktenzeichen 2 Ca 957/05) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 20.10.2005 – 2 Ca 957/05 – abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 1.730,09 Euro netto – Vergütung für Dezember 2004 – nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hierauf seit dem 01.01.2005 zu zahlen.
Von den Kosten erster Instanz trägt der Kläger 40% und Beklagte 60%.
Die Kosten der Berufung des Klägers trägt die Beklagte.
Die Berufung der Beklagten wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten sich in der Berufungsinstanz noch über Ansprüche des Klägers auf den unpfändbaren Teil des Dezembergehaltes sowie Rückforderungsansprüche der Beklagten aus behaupteten Gehaltszahlungen für die Monate Oktober und November 2004.
Der Kläger war Arbeitnehmer der Beklagten. Er war in ihrem Imbissbetrieb tätig. Das Arbeitsverhältnis ist beendet. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der allgemeinverbindliche Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer des Hotel- und Gaststättengewerbes Schleswig – Holstein Anwendung.
Am 17.05.2004 wurde über das Vermögen des Klägers sowie das seiner Ehefrau das Insolvenzverfahren eröffnet. Ausgehend von dem vereinbarten Festlohn i. H. v. 3.500,00 EUR brutto errechnete der Steuerberater der Beklagten einen Pfändungsfreibetrag von 1.730,09 EUR netto und einen wegen der Insolvenz abzuführenden pfändbaren Betrag von 166,00 EUR (Bl. 35 d. A.). Den Pfändungsfreibetrag erhielt der Kläger.
Im Oktober 2004, das ist im Berufungsverfahren unstreitig geworden, erbrachte der Kläger seine Arbeitsleistung. Er war nicht arbeitsunfähig krank. Vom 15.11.2004 bis 13.12.2004 sowie vom 22.12.2004 bis 31.12.2004 war er arbeitsunfähig krank (Anlage K 6). In der Zeit zwischen dem 14.12. und 21.12.2004 kam es zu einem Arbeitsversuch, der scheiterte. Die Beklagte ließ sich für die Arbeitsunfähigkeitszeiten von der AOK die Entgeltfortzahlungskosten erstatten.
Der Kläger hat vorgetragen, er habe für die Monate Oktober bis Dezember 2004 von der Beklagten keinerlei Vergütung erhalten. Die Ansprüche von 3.500,00 EUR brutto monatlich machte er für die Monate Oktober, November und Dezember 2004 im vorliegenden Klagverfahren geltend. Das Arbeitsgericht verurteilte die Beklagte daraufhin zur Zahlung des jeweiligen Pfändungsfreibetrages i. H. v. 1.730,09 EUR netto monatlich für die Monate Oktober und November 2004. Es bejahte in dieser Höhe trotz der Verbraucherinsolvenz die Aktivlegitimation des Klägers. Das weitergehende Zahlungsbegehren wurde abgewiesen. Für Dezember 2004 geschah dieses insgesamt u. a. mit der Begründung, angesichts einer evtl. Arbeitsunfähigkeit auch schon im Oktober 2004 habe der Kläger einen Entgeltfortzahlungsanspruch für den Monat Dezember 2004 nicht substantiiert dargelegt.
Widerklagend hat die Beklagte erstinstanzlich Rückzahlung von 3.061,00 EUR netto an den Insolvenzverwalter des Klägers geltend gemacht und insoweit behauptet, sie habe in Unkenntnis der Insolvenz insgesamt diese Summe an den Kläger auf seine Gehaltsansprüche für Oktober und November am jeweiligen Monatsende gezahlt. Die Widerklage der Beklagten hat das Arbeitsgericht mangels Substantiierung der behaupteten Erfüllung abgewiesen.
Gegen dieses beiden Parteien am 09.11.2005 zugestellte Urteil legten sowohl der Kläger, als auch die Beklagte am 08.12.2005 jeweils Berufung ein, die innerhalb der gesetzlichen Fristen jeweils begründet wurde.
Der Kläger trägt unter Bezugnahme auf den erst in der Berufungsinstanz zur Akte gereichten Krankenkassennachweis bzgl. seiner Arbeitsunfähigkeitszeiten vor, es habe ein Entgeltfortzahlungsanspruch für den Monat Dezember 2004 bestanden. Daher sei die Beklagte verpflichtet, den Pfändungsfreibetrag auch für Dezember 2004 trotz der Insolvenz an ihn persönlich auszuzahlen. Da der Pfändungsfreibetrag nicht zur Insolvenzmasse im Sinne der §§ 35. 36 InsO gehöre, sei er aktiv legitimiert. Von der Beklagten habe er für Oktober und November ...