Entscheidungsstichwort (Thema)
Probezeitvereinbarung bei befristeten Arbeitsverhältnissen
Leitsatz (amtlich)
1. Nach § 15 Abs. 4 TzBfG unterliegt ein befristetes Arbeitsverhältnis nur dann der ordentlichen Kündigung, wenn diese einzelvertraglich oder im anwendbaren Tarifvertrag vereinbart ist (B.III.1 der Gründe).
2. Gemäß § 15 Abs. 3 TzBfG muss eine Probezeitvereinbarung bei befristeten Arbeitsverhältnissen im Verhältnis zu der erwarteten Befristungsdauer (zeitliche Relation) und der Art der Tätigkeit stehen (B.IV.2.b) der Gründe).
a) Bezüglich der zeitlichen Relation ist - angesichts des unionsrechtlichen Geltungsbereichs ("Befristungen mit einer Dauer von weniger als zwölf Monaten") und der unionsrechtlich akzeptierten Probezeitdauer von sechs Monaten - eine Probezeit angemessen, die die Hälfte der Befristungsdauer umfasst (B.IV.2.b)bb)(1) der Gründe).
b) Das zweite Kriterium der Art der Tätigkeit ist als Korrekturkriterium zu verstehen: Es wird eine Probezeitmindestdauer in Abhängigkeit der konkreten Tätigkeit definiert, die zur Anwendung kommt, wenn die Probezeit nach der Formel des ersten Faktors (Relation zwischen Dauer der Befristung und der Probezeit) die Mindestdauer nach dem zweiten Faktor (Dauer der Probezeit in Abhängigkeit von der spezifischen Tätigkeit) unterschreitet (B.IV.2.b)bb)(2)(b) der Gründe).
c) Die Darlegungslast bezüglich dieses zweiten Faktors trifft den Arbeitgeber, wenn er eine längere Probezeit vereinbaren will, als sich nach dem ersten Faktor ergibt (B.IV.2.b)bb)(2)(b) der Gründe).
3. Vorstehendes unter Ziff. 2 gilt allerdings nicht für den Sonderfall einer Probebefristung mit bereits von Anfang an bestehender vertraglicher Verschränkung mit einem unbefristeten Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Befristung (B.IV.2.c) der Gründe).
a) In einem zur Probe befristeten Arbeitsverhältnis ist das vertraglich intendierte unbefristete Arbeitsverhältnis als Ausgangspunkt der Angemessenheitsprüfung zu nehmen. Damit ist eine sechsmonatige Probezeit immer angemessen (B.IV.2.c)cc) der Gründe).
b) Zur Vermeidung einer Umgehung von § 15 Abs. 3 TzBfG ist aber Voraussetzung, dass erstens die Befristung im Vertrag als Probebefristung bezeichnet ist (oder als solche bewertet werden kann) und dass zweitens das nach Ablauf der Probefristung beabsichtigte unbefristete Arbeitsverhältnis bereits im Ausgangsvertrag konkret geregelt wird (B.IV.2.c)cc) der Gründe).
Normenkette
TzBfG § 15 Abs. 3-4; BGB § 140; EURL 2019/1152 Art. 8 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Entscheidung vom 26.04.2023; Aktenzeichen 4 Ca 1903/22) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 26. April 2023 - 4 Ca 1903/22 - wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Beendigung ihres am 1. September 2022 begonnenen Arbeitsverhältnisses durch Kündigung des Beklagten vom 28. Oktober 2022.
Der Beklagte betreibt unter der Firma Autohaus R... Inh. M... P... e.K. ein Autohaus in L.... Er stellte den Kläger mit Wirkung 1. September 2022 als Serviceberater/Kfz-Meister für ein Bruttomonatsgehalt iHv. EUR 3.300,- ein. Dem Arbeitsverhältnis lag der Arbeitsvertrag vom 22. August 2022 zugrunde. Dieser lautet auszugsweise:
"§ 1 Beginn des Arbeitsverhältnisses, Probezeit
1. Der Arbeitnehmer wird ab 01.09.2022 als Serviceberater / Kfz-Meister eingestellt.
2. Die Einstellung erfolgt zunächst zur Probe bis zum 28.02.2023.
Das Probearbeitsverhältnis endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Wird das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Probezeit fortgesetzt, so gilt es als auf unbestimmte Zeit begründet.
Während der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis beiderseits mit einer Frist von 2 Wochen schriftlich gekündigt werden.
§ 2 Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Vertragsstrafe
1. Es gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen. Die Kündigung muss zu ihrer Wirksamkeit schriftlich erfolgen. Die Kündigungsfrist beträgt für beide Seiten 4 Wochen zum 15. oder zum Ende des Monats.
2. Die Kündigungsfrist verlängert sich für den Arbeitgeber
- nach 2 Jahren des Bestehens des Arbeitsverhältnisses auf 1 Monat
- nach 5 Jahren des Bestehens des Arbeitsverhältnisses auf 2 Monate
- nach 8 Jahren des Bestehens des Arbeitsverhältnisses auf 3 Monate
- nach 10 Jahren des Bestehens des Arbeitsverhältnisses auf 4 Monate
- nach 12 Jahren des Bestehens des Arbeitsverhältnisses auf 5 Monate
- nach 15 Jahren des Bestehens des Arbeitsverhältnisses auf 6 Monate
- nach 20 Jahren des Bestehens des Arbeitsverhältnisses auf 7 Monate
jeweils zum Ende des Kalendermonats.
3. Bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer werden die Zeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahres des Arbeitnehmers liegen, nicht berücksichtigt.
4. Das Arbeitsverhältnis endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeiternehmer die ungekürzte Regelaltersrente in Anspruch nehmen kann.
..."
Der Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28. Oktober 2022 zum 11. November 2022 - unterzeichnet von der Pr...