REVISION / RECHTSBESCHWERDE / REVISIONSBESCHWERDE / ZUGELASSEN JA
Entscheidungsstichwort (Thema)
Entziehungskur. Übergangsgeld. grobes Verschulden an Alkoholsucht. Beweislast
Leitsatz (amtlich)
Bleibt in einem Zahlungsverfahren des Krankenversicherers gegen den Arbeitgeber unklar, ob den krankenversicherten Arbeitnehmer, der eine Entziehungskur durchgeführt hat, ein grobes Verschulden an seiner Alkohol sucht trifft, so trägt die Beweislast hierfür der Arbeitgeber, und zwar auch dann, wenn der Arbeitnehmer sich weigert, sich ärztlich begutachten zu lassen (im Anschluß an BAG AP Nr. 52 zu § 1 LohnFG).
Normenkette
BAT § 50 Abs. 1, § 47 Abs. 2; SGB X 115 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Kiel (Urteil vom 30.10.1985; Aktenzeichen 4a Ca 161/85) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 30. Oktober 1985 geändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.344,38 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 01. Februar 1985 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch aus dem Recht des bei der Klägerin versicherten Arbeitnehmers K. der Beklagten, des Streitverkündeten, in Höhe von 2.344,38 DM hat.
Für den Sach- und Streitstand in erster Instanz wird gemäß § 543 ZPO auf das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 30.10.1985 nebst seinen Verweisungen Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat den Zahlungsanspruch der Klägerin mit der Begründung abgewiesen, daß die Klägerin sich die fehlende Mitwirkung des K. an der Aufklärung aller Umstände, die für die Entstehung des Zahlungsanspruchs des K. gemäß § 50 Abs. 1 BAT gegen die Beklagte mit der Folge zurechnen lassen müsse, daß ein Anspruch gegen die Beklagte nicht bestehe.
Gegen dieses ihr am 12.11.1985 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11.12.1985 Berufung eingelegt und diese am 06.01.1986 begründet.
Die Klägerin trägt vor:
Das erstinstanzliche Urteil habe den Zahlungsanspruch aus dem Recht des Streitverkündeten K. gemäß den §§ 47 Abs. 2, 50 Abs. 1 BAT, 115 Abs. 1 SGB zu Unrecht abgewiesen. Der Streitverkündete K. habe den Grund, der zu seiner Einweisung in die Klinik geführt habe, weder vorsätzlich noch grob fahrlässig herbeigeführt; er sei nicht infolge eines leichtfertigen Umgangs mit dem Alkohol süchtig geworden. Die Beweispflicht zu der Frage des Verschuldens treffe den Arbeitgeber. Wenn das Verschulden aufgrund der fehlenden Mitwirkung des Streitverkündeten K. nicht habe aufgeklärt werden können, so könne dieses Ergebnis jedoch nicht der Klägerin zugerechnet werden.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.344,38 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor:
Das erstinstanzliche Urteil sei zu Recht dem Beweisantritt der Beklagten nachgegangen, daß der Versicherungsnehmer K. schuldhaft den Kuraufenthalt in der zweiten Jahreshälfte 1983 verursacht habe. Da diese Beweisaufnahme aus Gründen nicht habe durchgeführt werden können, die im Verhältnis der Parteien zueinander die Klägerin zu vertreten habe, sei von einem für die Beklagte günstigen Beweisergebnis auszugehen. Im übrigen sei zu überprüfen, ob die Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts über die Darlegungs- und Beweislast zutreffend seien, zumal sie eine Auseinandersetzung mit der Bestimmung des § 282 BGB vermissen ließen. Nach dieser Vorschrift treffe die Beweislast den Schuldner, wenn es strittig bleibe, ob die Unmöglichkeit seiner Leistung die Folge eines von ihm zu vertretenden Umstandes sei. Diese Regelung, die auch im Arbeitsrecht gelte, sei auch sachgerecht, da nur der Arbeitnehmer alle die Umstände kenne, die für oder gegen ein Verschulden sprächen. Wenn das Bundesarbeitsgericht in diesem Zusammenhang dem Arbeitnehmer eine Auskunftspflicht gegenüber dem Arbeitgeber auferlege, so sei dies nur wenig hilfreich, weil der Arbeitgeber niemals überprüfen könne, ob der Arbeitnehmer ihm bei der Erteilung der Auskunft wesentliche Details verschwiegen habe.
Die Klägerin könne sich weiterhin nicht darauf berufen, daß die Beklagte die Erfüllung der Auskunftspflicht gegenüber dem Streitverkündeten K. hätte durchsetzen müssen; denn dieselbe Möglichkeit habe auch die Klägerin gehabt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsrechtszuge wird auf die vorbereitend gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist der Beschwer nach statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hatte sie auch Erfolg.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch aus dem Recht des Streitverkündeten K. in Höhe von 2.344,38 DM – §§ 47 Abs. 2, 50 Abs. 1 BAT, 115 Abs. 1 SGB X–. Der Streitverkündete K. befand sich in der Zeit vom 23.06. bis 22.12.1983 zu einer Alkoholentwöhnungskur in eine Klinik in B.. ...