REVISION / ZUGELASSEN JA
Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsvereinbarung. Zulage. Leistungszulage. Sperrwirkung. übertarifliche Zulage. außertarifliche Zulage. Mitbestimmungsrecht. Betriebsrat. Befristung. Nachwirkung. Auslegung. erzwingbares Mitbestimmungsrecht. kollektiver Charakter
Leitsatz (amtlich)
Eine zeitlich befristete Betriebsvereinbarung über freiwillige Zulagen gilt nicht kraft der Nachwirkung des §77 Abs. 6 BetrVG weiter. Das gilt auch dann, wenn eine Nachwirkungsmöglichkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen worden ist.
Normenkette
BetrVG § 77 Abs. 3, 6, § 87 Abs. 1 Nr. 10; TVG §4 V
Verfahrensgang
ArbG Flensburg (Urteil vom 25.11.1986; Aktenzeichen 2 Ca 562/86) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 25. November 1986 – 2 Ca 562/86 – abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision gegen das Urteil wird zugelassen.
Tatbestand
Im Betrieb der Beklagten wurde am 25.08.1983 mit Wirkung ab 01.05.1983 eine Betriebsvereinbarung „über eine Änderung der Entlohnung” abgeschlossen, wonach die beschäftigten Fahrer als „zusätzliches Entgelt” für bestimmte Leistungen eine Prämie erhalten sollten. Mit Wirkung ab 22.02.1984 wurde eine neue Betriebsvereinbarung mit folgendem Wortlaut vereinbart:
- Ab 01.01.1984 sind alle früheren Prämienvereinbarungen erloschen.
- Ab 01.01.1984 wird keine Prämie mehr errechnet.
- Ladelisten müssen zur Kontrolle weiter wie bisher eingesetzt werden.
- Anstelle der bisherigen Prämie zahlt die Firma eine Leistungszulage. Höhe und Personenkreis ergeben sich aus der Anlage. Die Leistungszulage wird in der Lohn- und Gehaltsabrechnung neben dem Grundgehalt gesondert ausgewiesen.
- Bei abfallender Leistung und Leistungsbereitschaft (die H. U. muß diesen Beweis führen) ist die Firma nach Absprache mit dem Betriebsrat berechtigt, die Leistungszulage zu kürzen.
- Neue Fahrer sind von der Vereinbarung nicht betroffen, sie werden nach Tarif bezahlt.
- Diese Vereinbarung tritt am 01.01.1984 in Kraft und läuft bis zum 31.12.1985.
Bestandteil der Betriebsvereinbarung war die in Ziffer 4 bezeichnete Anlage, in der u. a. folgende berechtigte Fahrer und die Höhe der diesen zustehenden Leistungszulagen dahin aufgeführt waren:
Die vereinbarten Leistungszulagen wurden diesen Fahrern bis zum Ende der Laufzeit der Betriebsvereinbarung, also bis einschließlich Dezember 1985, gezahlt.
Ab Januar 1986 erhielten die Fahrer, darunter der Kläger, monatlich nur noch geringere Beträge ausgezahlt, die nunmehr in den Lohnabrechnungen als „sonstige Zulagen” bezeichnet wurden. Es handelte sich bei den oben aufgeführten Fahrern um folgende monatliche Beträge:
Am 27.06.1986 erhob der Kläger die vorliegende Klage auf Zahlung der Differenzbeträge.
Der Kläger war der Auffassung, die Betriebsvereinbarung vom 22.02.1984 betreffe eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit gemäß §87 Abs. 1 Ziff. 10 und 11 BetrVG und wirke daher nach §77 Abs. 6 BetrVG über den vereinbarten Beendigungszeitpunkt, den 31.12.1985, hinaus nach. Da die Beklagte keine neue Vereinbarung mit dem Betriebsrat getroffen, sondern von sich aus die festgelegten Zulagenbeträge auf 40 % gekürzt habe, hätte er Anspruch auf Zahlung der Differenzbeträge für die Zeit ab Januar 1986.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
an den Kläger DM 744,– nebst 4 % Zinsen seit dem 01.04.1986 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie war der Auffassung, die Betriebsvereinbarung regele keine Angelegenheit des §87 Abs. 1 Ziff. 10 bzw. 11 BetrVG. Es handele sich nicht um die Zahlung einer Leistungszulage, da ein unmittelbarer Bezug zwischen Leistung und Entgelt nicht bestehe. In der Betriebsvereinbarung sei klargestellt worden, daß die frühere Regelung nach Grundlage und Höhe vollständig entfalle. Übrig geblieben sei eine freiwillige Leistung der Beklagten in Form einer festen, nicht leistungsbezogenen Zulage zum Lohn der Fahrer, die damals im Unternehmen tätig waren. Die Betriebsvereinbarung habe damit kraft Befristung ihr Ende gefunden und entfalte keine Nachwirkung. Die Beklagte sei berechtigt gewesen, die Zahlung der Zulage einzustellen und nur noch übergangsweise als reines Entgegenkommen 40 % der Zulage zu gewähren. Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von Differenzbeträgen bestehe somit nicht.
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Es gründet seine Entscheidung darauf, daß der Anspruch des Klägers sich aus der Nachwirkung der bis zum 31.12.1985 befristeten Betriebsvereinbarung ergebe. Es handele sich nämlich um eine Betriebsvereinbarung nach §87 Abs. 1 Ziff. 10 BetrVG, da für die damals bei der Beklagten tätigen Fahrer eine Änderung der bisherigen Entlohnungsgrundsätze –Übergang von der nach der bisherigen Betriebsvereinbarung errechneten Prämienzahlung zur Zahlung von festgesetzten Leistungszulagen– vereinbart worden sei. Die Betriebsvereinbarung vom 22.02.1984 sei damit eine Betriebsvereinbarung in einer mitbestimmungspflichtigten Angelege...