Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsentgelt (tarifliche Sonderzahlungen). Zulässigkeit einer “einfachen„ Differenzierungsklausel
Leitsatz (redaktionell)
Eine Differenzierungsklausel entfaltet erst dann einen unangemessenen sozialinadäquaten Druck auf einen nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer und greift rechtswidrig in sein Recht auf negative Koalitionsfreiheit ein, wenn die Gehaltsdifferenz unterhalb eines Monatsgehalts liegt.
Normenkette
BGB §§ 133, 157; TVöD § 20; TV-S
Verfahrensgang
ArbG Flensburg (Entscheidung vom 30.03.2011; Aktenzeichen 1 Ca 387/10) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 30.03.2011 - 1 Ca 387/10 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der tariflichen Sonderzahlungen für die Jahre 2007 bis 2009.
Die Beklagte betreibt in S. das ehemalige M.-L.-Krankenhaus. Bei Gründung der M.-L.-Krankenhaus GmbH im Jahr 1985 waren die Evangelisch-Lutherische Diakonissenanstalt F. und der Kreis S.-F. Träger der Einrichtung und Inhaber der Gesellschaftsanteile. Über die Evangelisch-Lutherische Diakonissenanstalt F. war das Unternehmen bis zum Ende des Jahres 1992 gem. § 3 TVG an den kirchlichen Angestelltentarifvertrag (KAT-NeK) sowie den kirchlichen Arbeitertarifvertrag (KArbT-NEK) gebunden. Im Jahr 1992 veräußerte die Evangelisch-Lutherische Diakonissenanstalt F. ihre Gesellschaftsanteile an den Kreis S.-F.. Das Krankenhaus wurde seither - mit wechselnden Gesellschaftern - in ausschließlich kommunaler Trägerschaft geführt. Ab dem Jahr 2006 erwarb die D. Gruppe schrittweise die Gesellschaftsanteile. Seit Ende 2007 hält sie 93,99 % der Anteile. Zum 11.05.2006 wurde das Krankenhaus in "Sc. Klinikum S. MLK GmbH" umbenannt.
Die Klägerin trat am 16.10.1989 in die Dienste der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin. Sie arbeitet als Köchin zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt von zuletzt etwa 2.400,00 EUR. Dem Arbeitsverhältnis liegt der mit der M.-L.-Krankenhaus S. GmbH geschlossene Arbeitsvertrag vom 17.10.1989 zugrunde (Bl. 120 f. d. A.), dessen § 2 lautet:
"Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach dem kirchlichen Arbeitertarifvertrag (KArbT-NEK) vom 17. Mai 1982 mit den zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträgen in ihrer jeweils geltenden Fassung."
Mit Schreiben vom 10.03.1993 (Bl. 204 f. d. A.) teilte die M.-L.-Krankenhaus S. GmbH der Klägerin mit, sie sei seit Anfang des Jahres 1993 Mitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbandes S.-H.. Dies habe zur Folge, dass vom 01.01.1993 an für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses einheitlich das öffentliche Tarifrecht gelte, also für die Angestellten der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und für die Lohnempfänger der Bundes-Manteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) sowie die diese Manteltarifverträge ergänzenden und verändernden Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung. Die Passage im Arbeitsvertrag, wonach der KArbT-NEK Anwendung finde, sei damit gegenstandlos.
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten wandte den KArbT-NEK seit 1993 nicht mehr auf das Arbeitsverhältnis an. Vielmehr behandelte sie die Klägerin nach den Bestimmungen des BAT. So erhielt die Klägerin eine jährliche Sonderzahlung nach BAT bzw. § 20 TVöD. Für das Jahr 2006 zahlte die Beklagte der Klägerin eine ungekürzte Sonderzahlung nach § 20 TVöD .
Am 25.03.2007 schlossen die Gewerkschaften V. Dienstleistungsgewerkschaft (v.) und N.-G.-Ga. (NGG) mit der D. Ho. AG einen "Tarifvertrag über die Gewährung einer jährlichen Sonderzahlung für die Jahre 2007 bis 2011" (TV-S). Danach erhalten die Arbeitnehmer für jedes Wirtschaftsjahr eine vom Konzernergebnis vor Zinsen, Abschreibung und Steuern (EBITDA) abhängige Sonderzahlung. Jedem EBITDA ist ein bestimmter Faktor zugeordnet, mit dem das Bruttomonatsgehalt multipliziert wird und der dadurch die Höhe der Sonderzahlung bestimmt. Der Faktor lag in den Jahren 2007 bis 2009 für Mitglieder der Gewerkschaften v. bzw. NGG teilweise deutlich oberhalb des für die übrigen Mitarbeiter vorgesehenen Faktors (vgl. § 5 Ziff. 5 - 11 TV-S). Nach § 5 Ziff. 12 TV-S erhalten Gewerkschaftsmitglieder unabhängig von einer möglichen höheren Zahlung nach den Regelungen der Ziffern 4 bis 9 in den Jahren 2007 bis 2009 mindestens eine garantierte Sonderzahlung.
In § 5 Ziff. 13 TV-S ist Folgendes vorgesehen:
"Als Gewerkschaftsmitglied gilt, wer spätestens am 06.03.2007 in die Gewerkschaft eingetreten ist und dessen Mitgliedschaft am 30.11. des jeweiligen Wirtschaftsjahres noch besteht und im Anspruchsjahr die Gewerkschaftsmitgliedschaft nicht gekündigt wurde. Für die Jahre 2008 und folgende gilt jeweils der 01.01. des Jahres als spätestes Eintrittsdatum."
Der TV-S sollte nach seinem § 6 u. a. den § 20 TVöD ersetzen.
Der 4. Senat des Bundesarbeitsgerichts rügte in seinem Urteil vom 18.11.2009 (4 AZR 491/08), die wirksame Vertretung der dortigen Beklagten bei Abschluss des TV-S sei nicht dokumentiert. Die ta...