Entscheidungsstichwort (Thema)

Anweisung. Direktionsrecht. Vorname. Geschäftsbriefe. E-Mail-Adresse. Persönlichkeitsrecht. Privatsphäre. Abwägung. Vornamen der Sachbearbeiter auf Geschäftsbriefen und in der dienstlichen E-Mail-Adresse

 

Leitsatz (amtlich)

Die im Interesse einer transparenten, bürgernahen öffentlichen Verwaltung erteilte Anweisung an Sachbearbeiter/innen des Bereiches Familienhilfe/ Jugendamt, auf ausgehenden dienstlichen Schreiben den Vornamen anzugeben und eine aus Vor- und Namen zusammengesetzte dienstliche E-Mail-Adresse zu benutzen, verletzt in der Regel nicht das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer. Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn dem konkret Sicherheitsbedenken entgegenstehen.

 

Normenkette

GewO § 106; BGB § 315 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Urteil vom 19.06.2007; Aktenzeichen öD 6 Ca 955 b/07)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 19.06.2007 – öD 6 Ca 955 b/07 – wird auf ihre Kosten zurückgewie-sen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Weisung der Beklagten gegenüber der Klägerin, ihren Vornamen im dienstlichen Verkehr anzugeben, rechtmäßig ist.

Die Klägerin ist langjährige Angestellte bei der Beklagten. Sie ist Sachbearbeiterin im Bereich Familienhilfe/Jugendamt.

Sie erhält ihre Arbeitsaufträge in der Mehrzahl durch Meldungen von Dritten (Kindergärten, Schule, Kinderärzte, Kinderpsychologen etc.). Die Klägerin hat dann Kontakt zu den Erziehungsberechtigten aufzunehmen. Sie hat notfalls Kinder aus der Familie herauszunehmen und fremd unterzubringen. Die Kinder kommen oftmals unstreitig aus einer äußerst problembehafteten Sozialisation. Im Umgang mit den Erziehungsberechtigten gibt es Berührungspunkte mit der Drogenszene, mit Alkoholabhängigen etc. Der Umgangsstil dieser Eltern/Elternteile gegenüber der Klägerin ist keinesfalls als „gepflegt und distanziert” zu bezeichnen. Die Klägerin arbeitet insoweit unstreitig in einem konfliktträchtigen Umfeld.

Die Beklagte strebt ein Auftreten als bürgerfreundlicher Dienstleister an, der sich transparent darstellt und eine Kommunikation mit dem Bürger mit möglichst niedrigen Hemmschwellen gewährleisten möchte. Im Zuge dessen sollen die Mitarbeiter der Beklagten unter anderem nach außen mit vollständiger Namensnennung (Vor- und Nachname) auf dem Briefpapier und in E-Mail-Adressen auftreten. Das Außenauftreten der Mitarbeiter bei der Beklagten ist – noch – nicht einheitlich. Der Bürgermeister hat es nach wie vor den jeweiligen Bereichsleitern freigestellt, den Vornamen in den Bereichen zu nennen. Der größte Teil der Bereiche tritt mittlerweile unter Nennung des Vornamens nach außen hin auf. Anfang 2007 erhielten die Mitarbeiter der Beklagten im Zuge der Modernisierung und Technisierung ihrer Arbeitsplätze auch eine externe E-Mail-Adresse. Sie lautet einheitlich wie folgt: Vorname.Name@luebeck.de.

Im Laufe des Jahres 2006 erhielt der Bereich Familienhilfe/Jugendamt eine neue Bereichsleitung. Diese verfügte mit Datum vom 14.12.2006, dass alle Mitarbeiter/innen dieses Bereiches ab 02.01.2007 im schriftlichen Kontakt nach außen stets den Vor- und Zunamen sowohl im Briefkopfbogen als auch unter der Unterschrift vollständig zu nennen haben. Gleichzeitig wurde angeordnet, dass bei der im Briefkopfbogen aufzuführenden E-Mail-Adresse der vollständige Vor- und Nachname entsprechend der Vorgabe verwendet wird. Mit der jeweiligen Vornamensnennung ist die Klägerin nicht einverstanden.

Die Klägerin hütet sorgsam ihre Privatsphäre. Sie ist nicht im Telefonbuch eingetragen, im Internet nicht auffindbar, tritt im Internet nur anonym oder pseudonym auf und hat beim Einwohnermeldeamt eine Auskunftssperre bzgl. ihrer Daten einrichten lassen.

Die Klägerin war und ist der Ansicht, die Anweisung der Beklagten zur Vornamensnennung stelle einen unzulässigen Eingriff in ihr Persönlichkeitsrecht dar. Sie hat daher die vorliegende Klage, gerichtet auf die Entfernung des Vornamens aus der dienstlichen E-Mail-Adresse und Feststellung des Nichtbestehens einer Verpflichtung zur Vornamensnennung auf dienstlichen Schreiben eingereicht. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das geschah im Wesentlichen mit der Begründung, die Anweisung der Beklagten sei von ihrem Direktionsrecht gedeckt, vom Ziel bürgernahen Auftretens gerechtfertigt und greife nicht unzulässig in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin ein.

Gegen dieses der Klägerin am 17.07.2007 zugestellte Urteil legte sie am 26.07.2007 Berufung ein, die innerhalb der Berufungsbegründungsfrist begründet wurde.

Die Klägerin vertritt nach wie vor die Ansicht, die Anweisung verstoße gegen die aktuelle AGA II 1/31 (Grundsätze für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Sprache). Die Vornamensnennung sei darüber hinaus nicht erforderlich und gehe über das zumutbare Maß hinaus. Die Klägerin befürchtet durch die Vornamensnennung ermöglichte Belästigungen oder gar Angriffe im Rahmen ihres Privatlebens. Daher ist ihres Erachtens die Ve...

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