Entscheidungsstichwort (Thema)
Unangemessene Benachteiligung durch formularmäßige Ausgleichsquittung für sämtliche Ansprüche bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Leitsatz (amtlich)
Ein in einer Generalquittung anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbarter beidseitiger Verzicht auf Ansprüche "gleich aus welchem Rechtsgrund" im Rahmen eines vom Arbeitgeber gestellten Formulars stellt typischerweise eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers dar und ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam (im Anschluss an: LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.11.2011 - 5 Sa 1524/11).
Normenkette
BGB § 305 Abs. 1 Sätze 1, 3, § 305c Abs. 1, § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, § 397 Abs. 2, § 611 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Neumünster (Entscheidung vom 09.01.2013; Aktenzeichen 1 Ca 758 b/12) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 09.01.2013 - 1 Ca 758 b/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche des Klägers und insoweit insbesondere über die Wirksamkeit einer Ausgleichsquittung.
Der Kläger war vom 09.03.-30.04.2012 als Krankenpfleger bei der Beklagten, die gewerbsmäßig Arbeitnehmerüberlassung betreibt, beschäftigt.
Am 21.05.2012 suchte der Kläger nach vorheriger Absprache den Betrieb der Beklagten auf. Er erhielt dort diverse Arbeitspapiere, Lohnabrechnungen für April, eine Vormonatskorrekturabrechnung für Mai sowie einen Gehaltsscheck. Außerdem unterzeichnete er ein mit "Empfangsbestätigung/Generalquittung" überschriebenes Schriftstück, das am Ende auszugsweise lautet:
"Der Arbeitnehmer & Arbeitgeber bestätigen mit ihrer Unterschrift, dass alle gegenseitigen Ansprüche, gleich aus welchem Rechtsgrund, aus dem Arbeitsverhältnis, außer die oben genannten Ansprüche, und in Verbindung mit dessen Beendigung erfüllt sind.
Der Arbeitnehmer hat auch den ihm zustehenden Urlaub und das gemäß Lohnabrechnung ausstehende Gehalt in natura erhalten bzw. abgegolten bekommen."
Unter der Überschrift: "Weitere Ansprüche bestehen nicht mit folgenden Ausnahmen" finden sich keine Eintragungen. Ergänzend wird wegen der äußeren Form dieses Schreibens auf die Anlage B 1 (Bl. 34 d. A.) Bezug genommen.
Mit seiner Klage macht der Kläger restliche nicht abgerechnete Vergütung für März von EUR 395,12 brutto und April 2012 von EUR 506,64 brutto geltend.
Hierzu hat er vorgetragen:
Im März 2012 habe er 120,65 Stunden gearbeitet, so dass ihm ein Gehalt von EUR 1.327,15 brutto zustehe. Hierauf habe die Beklagte ausweislich der Abrechnungen EUR 819,84 brutto und EUR 111,79 brutto gezahlt, so dass noch ein Betrag von EUR 395,52 brutto fehle. Für April fehle noch die Vergütung für 42 Stunden Arbeitsunfähigkeit vom 23. - 30.04.2012, also EUR 409,92 brutto sowie ein Restbetrag aus der Zeit vom 01. - 22.04.2012 in Höhe von EUR 96,72 brutto.
Auf diese Ansprüche habe er auch nicht wirksam verzichtet. Er sei zu dem Gespräch am 21.05.2012 gebeten worden, um seine Arbeitspapiere persönlich abzuholen. Mit keinem Wort sei im Vorfeld über seine noch offenen Gehaltsansprüche gesprochen worden. Im Betrieb habe Herr M. ihm dann gesagt, er solle die Papiere und den Empfang des Schecks quittieren; ohne Unterschrift werde er weder die Papiere noch den Scheck erhalten. Eine Prüfung der Papiere vor Unterschrift sei ihm nicht möglich gewesen. Nach Unterzeichnung sei er gebeten worden, den Raum zu verlassen. Die von der Beklagten vorgelegte formularmäßige Ausgleichsquittung sei als Allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 902,16 EUR brutto zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB auf 395,52 EUR brutto seit dem 16.04.2012, auf 506,64 EUR brutto seit dem 16.05.2012 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat erwidert:
Sie habe die Monate März und April ordnungsgemäß abgerechnet und vergütet.
Im Übrigen bestünden etwaige Ansprüche nach Unterzeichnung der Ausgleichsquittung am 21.05.2012 nicht mehr. Herr M. sei mit dem Kläger die auf der Quittung erwähnten Punkte durchgegangen. Er habe diesem insbesondere erläutert, dass durch den Erhalt des Schecks und die Quittierung auf der Generalquittung sämtliche Leistungsansprüche beider Seiten ausgeglichen wären. Herr M. habe auch auf die Möglichkeit hingewiesen, eventuell Ansprüche von der Ausgleichsquittung auszuschließen. Der Kläger habe diesen Wunsch nicht geäußert, sondern nach ausführlicher Prüfung die Quittung unterzeichnet. Bedenken gegen deren Wirksamkeit bestünden nicht.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, das vom Kläger unterzeichnete Schriftstück stelle eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 BGB dar. Der darin enthaltene Anspruchsverzicht sei nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, da dem Verzicht des Klägers auf seine Ansprüche kein angemessener Ausgleich entgegenstehe.
Gegen dieses ihr am 05.02...