Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassung von Wettbewerb. Einstweilige Verfügung
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung von Wettbewerb setzt zunächst voraus, dass durch die verbots- bzw. vertragswidrige Tätigkeit dem (früheren) Arbeitgeber wesentliche Nachteile drohen, denen er im Hauptsacheverfahren nicht wirksam begegnen kann. Dem Interesse des Arbeitgebers an der Wettbewerbsenthaltung seiner Arbeitnehmer ist kein weitergehender Schutz im Verfahren der einstweiligen Verfügung einzuräumen, als für seine sonstigen aus dem Arbeitsvertrag folgenden Interessen. Eine gesteigerte Dringlichkeit kann nicht allgemein unterstellt werden. Auf die Darlegung eines besonderen Verfügungsgrunds kann daher nicht verzichtet werden. Der Verfügungsgrund setzt eine rechtswidrige Wettbewerbstätigkeit voraus, die erheblich in die Interessenssphäre des Arbeitgebers eingreift.
2. Es muss ferner mit Schäden zu rechnen sein, die über das Hauptsacheverfahren nicht ersetzt werden können. Die durch den Wettbewerb bedrohten Interessen des Arbeitgebers und die Interessen des Arbeitnehmers an der Aufnahme der in Frage stehenden Tätigkeit sind gegenüberzustellen. Von Bedeutung ist dabei, wie viel für das Vorliegen des Verfügungsanspruchs spricht. Auf Seiten des Arbeitnehmers ist zu berücksichtigen, wie groß seine Chancen sind, seine Arbeitskraft auch außerhalb des Geschäftsbereichs seines früheren Arbeitgebers verwerten zu können. Zwingt ihn die Einhaltung eines in seiner Wirksamkeit noch nicht endgültig geklärten Wettbewerbsverbots praktisch zur Untätigkeit, kann ein Verfügungsgrund nur bejaht werden, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit für den Verfügungsanspruch spricht und erhebliche Interessen des Arbeitgebers auf dem Spiel stehen. Dies kann etwa bei Spezialisten der Fall sein, denen der Arbeitsmarkt nur eng begrenzte Beschäftigungsmöglichkeiten bietet. …).
3. In den Fällen, in denen die Durchführung einer einstweiligen Verfügungsentscheidung zur endgültigen Befriedigung des Gläubigers führt, müssen besondere Umstände vorliegen, die einen derartigen Anspruch rechtfertigen. An das Vorliegen eines Verfügungsgrunds ist in diesen Fällen ein besonders strenger Maßstab anzulegen.
Normenkette
BGB § 241 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Urteil vom 05.05.2011; Aktenzeichen 1 Ga 14/11) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 05.05.2011 – 1 Ga 14/11 – aufgehoben:
Die einstweilige Verfügung vom 31.03.2011 wird aufgehoben und der Antrag abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin (beide Instanzen).
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Revision nicht gegeben.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin als Arbeitgeberin beanspruchen kann, dass der Beklagte jedwede Tätigkeit für die Firma L. AG bis zum 31.08.2011 unterlässt.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen mit mehr als 100 Arbeitnehmern. Der Beklagte ist bei ihr seit dem 01.04.1991 als kaufmännischer Mitarbeiter, Fachbereich Werkzeuge und Maschinen, tätig. Er ist insoweit als Außendienstmitarbeiter in L. eingesetzt.
Die Parteien haben mit Datum vom 23.07.1992 einen Formulararbeitsvertrag geschlossen. In § 3 heißt es dort wie folgt:
„1.
Für beide Vertragsparteien gilt eine Kündigungsfrist von
- 8 Wochen zum Ende eines Kalendervierteljahres
- xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
- xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
- …
Die Fristen aus dem Gesetz über die Fristen für die Kündigung von Angestellten vom 09.07.1926 gelten auch für eine Kündigung seitens des Angestellten.”
(Anlage Ast 1, Blatt 7 d. A.).
Das genannte Gesetz vom 09.07.1926 ist am 14.10.1993 durch das Bundesverfassungsgericht für unwirksam erklärt worden.
Mit Datum vom 02.02.2011, der Klägerin zugegangen am 03.02.2011, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis „fristgerecht zum 31.03.2011” (Anlage Ast 2, Blatt 12 d. A.). Er beachtete eine Kündigungsfrist von acht Wochen.
Mit Schreiben vom 08.02.2011 wies die Klägerin den Beklagten darauf hin, dass laut Arbeitsvertrag eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Monatsende gelte, das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung daher erst zum 31.08.2011 ende. Der Beklagte wurde aufgefordert, seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen. Die Klägerin stellte klar, dass keine Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber oder eine Werbung oder Information über eine eigene Neuorganisation geduldet werde (Anlage Ast 3, Blatt 13 d. A.).
Gleichzeitig mit dem Beklagten haben zwei Arbeitskollegen das Beschäftigungsverhältnis gekündigt.
Ein Wettbewerber der Klägerin ist die Firma L. AG mit Sitzung in S. bei B…. Diese eröffnete zum 01.04.2011 in unmittelbarer Nachbarschaft zur Klägerin eine neue Niederlassung in L., wo sie bislang nicht vertreten war. In einem Gespräch am 29.03.2011 erklärte der Beklagte gegenüber dem Vorstand der Klägerin, er werde ab dem 01.04.2011 für eine andere Firma tätig sein.
Den kurzfristigen Wechsel des Beklagten möchte die Klägerin mit der vorliegenden einstweiligen Verfügung v...