Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässige Restitutionsklage bei Versäumnis der einmonatigen Notfrist und Vorlage einer nachträglich errichteten Urkunde
Leitsatz (amtlich)
Eine nach der letzten mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts erstellte Urkunde kommt als Restitutionsgrund nur dann ausnahmsweise in Betracht, wenn es sich um eine öffentliche Urkunde handelt, die Tatsachen bekundet, die bis zu diesem Zeitpunkt verortet sind, die Urkunde aber schlechterdings nicht vor Abschluss des Vorprozesses errichtet werden konnte, z. B. die Geburtsurkunde zur Bestimmung des Empfängniszeitpunktes oder der nachträgliche Anerkennungsbescheid über die Schwerbehinderung im Kündigungsschutzprozess.
Normenkette
ZPO § 578 Abs. 1, § 580 Nr. 7b, § 586 Abs. 1, § 589 Abs. 2, § 580 Nr. 7 Buchst. b
Verfahrensgang
LAG Schleswig-Holstein (Entscheidung vom 15.04.2014; Aktenzeichen 1 Sa 208/13) |
Tenor
- Die Restitutionsklage wird verworfen.
- Die Kosten des Restitutionsrechtsstreits trägt die Restitutionsklägerin.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Restitutions-Klägerin (künftig: Beklagte) greift mit ihrer Restitutionsklage das rechtskräftige Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 15.04.2014, Az. 1 Sa 208/13, an, mit welchem die Klage des Restitutions-Beklagten (künftig: Kläger) auf Zahlung einer Karenzentschädigung lediglich mangels Fälligkeit abgewiesen wurde. Das Landesarbeitsgericht hatte in den Entscheidungsgründen festgestellt, dass dem Kläger dem Grunde und der Höhe nach eine Karenzentschädigung in Höhe von 65.700,00 € brutto zustehe, diese aber wegen fehlender Auskunftserteilung des Klägers über anderweitige Einkünfte noch nicht fällig sei.
Im Ausgangsverfahren stritten die Parteien - soweit hier von Belang - um den Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Karenzentschädigung aufgrund eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots.
Der 1949 geborene Kläger war zunächst bei einer Berufsgenossenschaft und später als freier Rentenberater tätig. Er war und ist insbesondere mit der Durchsetzung von Ansprüchen von Sportlern wegen einer Sportverletzung gegen die Träger der Sozialversicherung befasst. In diesem Zusammenhang vertrat und vertritt er namhafte Profiboxer, Berufsfußballer und Berufshandballer sowie weitere Sportler. Der Kläger ist Mitbegründer und war bis Ende 2010 auch Mitgesellschafter der Beklagten.
Die Beklagte betreibt mit ihrem Unternehmen die Finanzierung von Prozessen von Berufssportlern wegen Sportverletzungen gegen die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Sportler schließen mit der Beklagten einen Vertrag, der regelt, dass die Beklagte die Kosten der (außer-)gerichtlichen Auseinandersetzung trägt und im Gegenzug einen Anteil der durchgesetzten Ansprüche erhält. Die Beklagte kooperiert hierzu mit zwei Rechtsanwälten. Diesen wird von den Sportlern eine Vertretungsvollmacht erteilt. Der Beklagten selbst sind Tätigkeiten, die der Erlaubnis nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) bedürfen, nicht erlaubt.
Ab dem 01.06.2009 war der Kläger bei der Beklagten als angestellter Rentenberater zu einem Monatsgehalt von insgesamt zuletzt 6.503,50 € brutto beschäftigt. Gemäß § 2 des Arbeitsvertrags oblag dem Kläger die Prüfung der an die Beklagte herangetragenen Rechtsstreitigkeiten anhand der vom mandatierten Anwalt erstellten Schriftsätze und weiteren Unterlagen. In § 5 des Arbeitsvertrags trafen die Parteien folgende Nebentätigkeitsabrede (Bl. 9 ff. d. A.):
"Herrn G. wird ausdrücklich gestattet, seiner Tätigkeit als selbstständiger Rentenberater weiterhin an den Wochentagen Freitag bis Sonntag nachzugehen. Dabei gelten jedoch die nachfolgenden Einschränkungen hinsichtlich der Mandatsverhältnisse:
Herrn G. wird gestattet, als selbstständiger Rentenberater folgende Mandanten weiter zu betreuen:
- Mandanten, zu denen ein Mandatsverhältnis bereits vor dem 09.08.2007 (Gründungsstichtag des Arbeitgebers) bestanden hat und welche nicht Klienten des Arbeitsgebers geworden sind. Hinsichtlich des Bestands eines Mandatsverhältnisses kommt es auf die Unterzeichnung einer Bevollmächtigung auf Herrn G. persönlich an.
- Mandanten, bei denen es um die Abwicklung der Altersrente geht
- Zukünftige sonstige Mandatierungen in rentenrechtlichen Angelegenheiten sind grundsätzlich nur noch über den Arbeitgeber abzuwickeln.
..."
Bei Abschluss des Arbeitsvertrags war von den Vertragsparteien beabsichtigt, dass die damaligen Mandanten des Klägers von diesem zum Abschluss eines Geschäftsbesorgungsvertrags mit der Beklagten bewegt werden sollten, was in der Folgezeit auch in einer Reihe von Fällen tatsächlich geschah.
Am 06.05.2010 vereinbarten die Parteien eine sofort in Kraft tretende Nebenabrede zum Arbeitsvertrag. Diese lautet auszugsweise (Bl. 370 ff. d. A.):
"I.
Der Mitarbeiter bleibt als Rentenberater im Anstellungsverhältnis tätig. Die an den Arbeitsgeber herangetragenen Rechtsstreitigkeiten werden vorab anhand der von den Kunden eingereichten Unterlagen in einer Vorprüfung durch Herrn G. auf Erfolgsaussichten hin überprüft.
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