Entscheidungsstichwort (Thema)
Stillschweigende Einigung über neues Vergütungssystem. Unbegründete Zahlungsklage eines Verkaufsberaters bei teilweiser Ablehnung eines neuen Vergütungssystems
Leitsatz (redaktionell)
1. Bestimmt der schriftliche Arbeitsvertrag ein Festgehalt von 1.535 Euro brutto monatlich und bietet die Arbeitgeberin ihrem Verkaufsberater zwei Vergütungsmodelle an, nämlich ein gemäßigtes (mit einem Festgehalt von 1.400 Euro brutto zuzüglich Provision in Höhe von 1,50 Euro je Provisionspunkt) und ein "aggressives" Provisionsmodell, bei dem nicht nur das vertraglich vereinbarte Festgehalt von 1.535 Euro brutto auf 1.000 Euro herabgesetzt sondern auch ein Punktesystem mit leistungsabhängiger und vom Arbeitnehmer steuerbarer Provision gilt, kann der Arbeitnehmer dieses Angebot der Arbeitgeberin nur insgesamt annehmen; eine teilweise Annahme des angebotenen neuen Vergütungssystems ("Rosinentheorie") ist rechtlich als Ablehnung verbunden mit einem neuen Vertragsangebot zu bewerten (§ 150 Abs. 2 BGB).
2. Stimmt der Arbeitnehmer der Provisionsregelung eines zur Auswahl angebotenen Vergütungssystem zu, und ist diese Provisionsregelung an ein geringeres Festgehalt geknüpft, stimmt der Arbeitnehmer stillschweigend der gesamten Vergütungsregelung zu; durch eine jahrelange Hinnahme der entsprechend abgerechneten Vergütung bringt der Arbeitnehmer erkennbar zum Ausdruck, dass er mit der zugrundeliegenden Vergütungsabrede einverstanden ist.
Normenkette
BGB §§ 611, 363, 150 Abs. 2, § 611 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Flensburg (Entscheidung vom 24.06.2015; Aktenzeichen 1 Ca 1215/14) |
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 24.06.2015, Az. 1 Ca 1215/14, wird zurückgewiesen.
- Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um restliche Vergütung aus einem beendeten Arbeitsverhältnis.
Der 40-jährige Kläger war vom 01.06.2006 bis einschließlich 30.09.2014 bei der Beklagten Verkaufsberater in deren Filiale in H... beschäftigt.
Der Anstellungsvertrag vom 27.02.2006 enthält - soweit hier von Belang - folgende Regelungen (Bl. 3 ff. d. A.):
"§ 4 Entgelt
Das monatliche Bruttogehalt zahlbar am 1. des folgenden Monats beträgt € 1.535,00
§ 5 Sonderzahlungen
Dem Angestellten etwa gewährte Sonderzahlungen bzw. Zulagen begründen keinen Rechtsanspruch auf Weitergewährung in folgenden Kalenderjahren, auch ohne hierauf bei der Zahlung besonders hingewiesen worden zu sein.
...
§ 14 Vertragsänderungen und -ergänzungen
Es bestehen keine weiteren Abreden zwischen den Parteien. Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Das gilt auch für die Aufhebung dieser Schriftklausel.
...
§ 17 Sonstige Vereinbarungen
Die Möglichkeit über eine gesonderte Provisionsvereinbarung eine deutliche Gehaltsverbesserung zu erzielen, gilt auch als pauschale Abgeltung der vereinbarten 45 Stunden / Woche."
Im Jahr 2008 führte die Beklagte eine auf einem Punktesystem basierende und damit leistungsabhängige Provisionsregelung ein. Hierzu fand von Januar bis März 2008 eine dreimonatige Vorlaufzeit statt, in der das Punktesystem bereits in der EDV erfasst wurde. Auf diese Art konnten sowohl die Mitarbeiter als auch die Beklagte für sich beurteilen, ob das angebotene Provisionsmodell für beiden Seiten lukrativ ist. Die Beklagte bot den Mitarbeitern, so auch dem Kläger, zwei Provisionsmodelle an. Bei dem sogenannten "gemäßigten Provisionsmodell" wurde ein Fixum von 1.400,00 € brutto zuzüglich Provision angeboten, wobei ein Provisionspunkt mit 1,50 € vergütet werden sollte. Das zweite Modell, die sogenannte "aggressive Provision", sah zunächst ein Fixum von 800,00 € vor und der Provisionspunkt sollte mit 3,50 € vergütet werden. Der Kläger entschied sich, jedenfalls im Hinblick auf die Provision, für die zweite Variante. Es ist streitig, ob der Kläger auch der Höhe des zu zahlenden Fixums zustimmte. Unstreitig zahlte die Beklagte dem Kläger ab April 2008 ein Grundgehalt von 800,00 € brutto zzgl. Provisionen nach dem "aggressiven Provisionsmodell". Ab Januar 2011 hob die Beklagte das Grundgehalt auf 1.000,00 € an. Neben dem Grundgehalt und den auf dem Punktesystem basierenden Provisionen erhielt der Kläger sogenannte "freiwillige Provisionen", Bonuszahlungen sowie Aufwandsentschädigungen. In den Gehaltsabrechnungen sind aufgeführt das Grundgehalt, die Provisionen und die freiwilligen Provisionen. Daneben erhielt der Kläger jeden Monat einen Einzelnachweis über die Gehaltsbestandteile. Hierin sind die "freiwilligen Provisionen" der Art nach aufgeschlüsselt. Die eigentlichen Provisionen und das Grundgehalt waren im streitgegenständlichen Zeitraum stets höher als das im Arbeitsvertrag vereinbarte Festgehalt über 1.535,00 € brutto. Erstmals mit Anwaltsschreiben vom 16.10.2014 forderte der Kläger die Beklagte schriftlich auf, die Differenzbeträge zwischen dem vereinbarten Festgehalt (1.535,00 €) und dem jeweils ab 2011 gezahlten ...