Entscheidungsstichwort (Thema)

Anhörung des Betriebsrats vor Kündigung. Anhörungsfrist. Mitteilung der Gründe für die Sozialauswahl. Kurzarbeit grundsätzlich kein Mittel zur Vermeidung von Kündigungen

 

Verfahrensgang

ArbG Elmshorn (Urteil vom 10.05.1988; Aktenzeichen 1b Ca 448/88)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 10. Mai 1988 – 1b Ca 448/88 – abgeändert.

Es wird Festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 03. März 1988 nicht aufgelöst worden ist. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte trägt die Kosten erster Instanz.

Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Kündigung der Beklagten. Wegen des Sach- und Streitstandes, wie er in erster Instanz zur Entscheidung angestanden hat, wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils gem. § 543 ZPO Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und seine Entscheidung darauf gegründet, daß die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt sei, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers in dem Betrieb der Beklagten entgegenstehen. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung habe bei der Beklagten ein Arbeitsmangel bestanden, die mangelnde Beschäftigungsmöglichkeit sei gegen Ende Februar 1988 nochmals geringer geworden, so daß die Entscheidung der Beklagten, für die Mitarbeiter in der Werkstatt Kurzarbeit anzumelden und dem Kläger sowie vier anderen Mitarbeitern zu kündigen, nicht zu beanstanden sei. Die Entscheidung, ob bei zurückgehenden Aufträgen für Mitarbeiter Kurzarbeit angemeldet oder gekündigt werde, bleibe letztlich als unternehmerische Entscheidung einer Überprüfung durch das Gericht entzogen. Wegen der Entscheidungsgründe im übrigen wird auf die der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Gegen das ihm am 13. Juni 1988 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 10. Mai 1988 richtet sich die am 12. Juli 1988 eingelegte und am 29. Juli, begründete Berufung des Klägers.

Der Kläger greift die Entscheidung unter anderem deshalb an, weil die Kündigung schon wegen unzureichender Anhörung des Betriebsrats rechtsunwirksam sei. Die Beklagte habe dem Betriebsrat keine Mitteilung über die soziale Situation aller nichtgekündigten Arbeitnehmer mit vergleichbaren Arbeitplätzen gemacht. Die Beklagte hätte zumindest vollständige Angaben darüber machen müssen, welche Arbeitnehmer ihrer Meinung nach zum auswahlrelevanten Personenkreis gehörten, und zwar unter Angabe der Auswahlkriterien, zu denen in erster Linie Lebensalter, Dauer der Betriebszugehörigkeit und Unterhaltsverpflichtungen zählten. Sie hätte außerdem angeben müssen, nach welchen Bewertungsmaßstäben sie die soziale Auswahl vorgenommen habe. Dem Betriebsrat sei keine Personalliste mit den sozialen Daten der zu kündigenden Arbeitnehmer überreicht worden. Auch bestünden keine dringenden betrieblichen Erfordernisse, die die Entlassung des Klägers bedingt hätten.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 10. Mai 1988 zu ändern sowie festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigung der Beklagten vom 03. März 1988 nicht aufgelöst ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung als zutreffend. Sie wiederholt und vertieft ihren Vortrag zum Arbeitsmangel, der ihrer Auffassung nach die Kündigung begründet hat. Zur Anhörung des Betriebsrats trägt die Beklagte vor, der Kläger weise in seiner Berufungsbegründung darauf hin, er habe mit Schriftsatz vom 19. April 1988 in erster Instanz bestritten, daß dem Betriebsrat eine Personalliste mit den sozialen Daten der zu kündigenden Arbeitnehmer überreicht wurden sei. Das könne als richtig unterstellt werden, weil es nicht rechtserheblich sei. Denn der Arbeitgeber habe den Betriebsrat zwar von vornherein, also ohne ein entsprechendes Verlangen, über seine Motive der sozialen Auswahl zu unterrichten, komplette Beschäftigungslisten vorzulegen sei er nicht gehalten. Ungeklärt bleiben könne auch der Streit der Parteien in erster Instanz, ob nun die Geschäftsleitung der Beklagten oder der Betriebsrat konkret vorgeschlagen habe, wer zur Entlassung anstünde. Denn auch eine Initiative des Betriebsrats sei als Gesprächsgrundlage nicht unzulässig. Der Kläger habe somit in erster Instanz keine Tatsachen vorgebracht, aus denen sich angesichts der Indizwirkung der Stellungnahme des Betriebsrats (Anlage 2 zur Klage) die Rechtsfolge ergeben könnte, dieser sei nicht ordnungsgemäß angehört worden. Die Beklagte habe deshalb auch keine Veranlassung gehabt, näher vorzutragen. So habe es offenbar auch das Arbeitsgericht gesehen, weil es andernfalls der Beklagten einen Hinweis nach § 139 ZPO gegeben hätte und/oder im Urteil auf diesen Aspekt ein gegangen wäre. Tatsächlich sei der Vorsitzende des Betriebsrats von der Beklagten – i...

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