REVISION / RECHTSBESCHWERDE / REVISIONSBESCHWERDE ZUGELASSEN JA
Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz, Schmerzensgeld, Haftungsprivileg, Unternehmer, Personenschaden, Vorsatz, bedingter Vorsatz, Schutzgesetzverletzung
Leitsatz (amtlich)
§ 636 RVO greift zugunsten der Gewerbetreibenden und sonstigen Unternehmer dergestalt ein, daß sie ihren Arbeitnehmern zum Ersatz des Personenschadens nur dann verpflichtet sind, wenn sie den Arbeitsunfall vorsätzlich herbeigeführt haben oder wenn der Arbeitsunfall bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr eingetreten ist. Vom Haftungsprivileg erfaßt sind Ersatzansprüche jeder Art, sowohl die gesetzlichen als auch die vertraglichen als auch die aus Verschuldens- und Gefährdungshaftung; dabei sind Personenschäden alle Schäden, die ihre tatsächliche Grundlage in dem Körperschaden haben, mithin auch der Anspruch auf Schmerzensgeld oder der auf Schadensersatz nach § 16 BBiG. Vorsatz i. S. d. § 636 RVO ist auch der bedingte Vorsatz. Bedingter Vorsatz ist gegeben, wenn der Verletzer den Unfallschaden gebilligt, also in Kauf genommen hätte, wobei aus dem gesamten Verhalten oder etwa aus den ausdrücklichen Erklärungen des Verletzers hervorgehen muß, daß ihn der Eintritt des Körperschadens nicht stören würde.
b.w.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1-2, §§ 826, 842-843, 847; StGB §§ 223, 230; RVO § 636; BBiG § 16 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Husum (Urteil vom 12.07.1990; Aktenzeichen 2 Ca 67/90) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Husum vom 12. Juli 1990 – 2 Ca 67/90 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision gegen das Urteil wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Schmerzensgeld und Schadenersatzansprüche.
Der am 25.08.1966 geborene Kläger war bei dem Beklagten in dessen Bäckereibetrieb als Lehrling – Auszubildender – beschäftigt. Der Kläger erlitt bei der Reinigung einer Teigknetmaschine am 4. Januar 1987 eine schwere Handverletzung. Von dem Rühr haken der Knetmaschine wurden ihm bis auf den Daumen sämtliche Finger der rechten Hand abgetrennt. Der Kläger wurde wegen der Handverletzungen in der Zeit vom 24. Januar bis 2. April 1987, vom 4. Mai bis 20. Mai 1987, vom 11. August bis 6. Oktober 1987 und vom 3. Juli bis 19. Juli 1988 stationär behandelt. Darüber hinaus war der Kläger laufend in ambulanter Behandlung. Im Gutachten des Professors Dr. B. G. des berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhauses Hamburg vom 28. September 1989 ist festgestellt, daß die Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand im Vergleich zur gesunden linken Hand auf Dauer um 4/5 (80 %) gemindert ist und der Kläger in der seinerzeitigen Berufsausbildung zum Kaufmann, die er wegen der Unmöglichkeit der Fortführung einer Handwerkerausbildung angefangen hat, auch in dem kaufmännischen Bereich deutlich beeinträchtigt sei beim Schreiben sowie beim Bedienen von Schreibmaschinentastaturen.
Der Kläger hat behauptet, daß ca. zwei bis drei Monate vor dem Unfalltage der Beklagte die Sicherungsautomatik an der Teigknetmaschine entfernen oder überbrücken lassen habe. Seit dieser Zeit habe das auf der Teigknetmaschine befindliche Metallgitter geöffnet werden können, ohne daß sich dadurch die Teigknetmaschine abgeschaltet habe. Der Beklagte habe die Sicherungsfunktion nicht wieder in Betrieb setzen lassen, um bei der Bedienung und Reinigung der Teigknetmaschine eine Zeitersparnis zu erreichen. Er habe ausdrücklich die Anweisung erteilt, daß die Teigknetmaschine während des laufenden Betriebes gereinigt werden müsse. Am Unfalltage habe er die Arbeit bereits gegen 23.45 Uhr aufnehmen müssen; der Unfall habe sich gegen 5.00 Uhr morgens ereignet. Wegen der Unfallfolgen könne er, der Kläger, keinen handwerklichen Beruf mehr ausüben. Allein dies stelle eine große seelische Belastung für ihn dar. Durch verringerte Freizeitgestaltungsmöglichkeiten seien seine sozialen Kontakte eingeschränkt. Der Beklagte habe diesen Unfall mit bedingtem Vorsatz herbeigeführt, grundsätzlich sei nämlich die Verletzungsgefahr dadurch ausgeschlossen, daß der Bottich an dieser Teigknetmaschine durch das Metallgitter verschlossen sei. Beim Öffnen des Metallgitters würde sich die Maschine automatisch abschalten. Gerade diesen Schutz habe der Beklagte ausgeschlossen. Er, der Kläger, halte deshalb ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000,– DM für angemessen.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen,
- an den Kläger ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst 4% Zinsen seit Rechtshängigkeit zuzahlen.
- festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den künftigen materiellen und immateriellen Schaden zu erstatten, soweit diese Forderung nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen ist.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat bestritten, die Sicherungsautomatik entfernt oder überbrückt zu haben. Auch zum Unfallzeitpunkt habe das Öffnen des Metallgitters automatisch das Ausstellen der Maschine zur...