REVISION / RECHTSBESCHWERDE / REVISIONSBESCHWERDE ZUGELASSEN JA

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Maßregelungsverbot der Druckindustrie – Sonderzahlungen an nichtstreikende Arbeitnehmer

 

Leitsatz (amtlich)

Sonderzahlungen an nichtstreikende Arbeitnehmer während des Arbeitskampfes 1989 in der Druckindustrie verstoßen dann gegen das „Maßregelungsverbot” vom 10. März 1989, wenn die Sonderzahlungen nicht für konkrete streikbedingte Mehrbelastungen der nicht streikenden Arbeitnehmer gewährt werden (im Anschluß an BAG, AP Nr. 88 zu Art. 9 GG Arbeitskampf)

 

Normenkette

GG Art. 9 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Urteil vom 10.10.1989; Aktenzeichen 3 Ca 1367/89)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 10.10.1989 – 3 Ca 1367/89 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Nach Zahlung einer Sonderleistung.

Die Kläger sind bei der Beklagten, einem Druckindustriebetrieb, beschäftigt. Die Parteien sind tarifgebunden. Während des Arbeitskampfes in der Druckindustrie im Jahre 1989 wurde die Beklagte vom 6. bis 9. März 1989 bestreikt; die Kläger haben am Streik teilgenommen.

Die Arbeitnehmer, die an dem Streik nicht teilnahmen, erhielten von der Beklagten eine Sonderzahlung. Diese wurde in der Lohn- und Gehaltsabrechnung als Sonderzahlung/Streik als Bruttobetrag eigenständig ausgewiesen. Der Zeitpunkt der Auszahlung ist zwischen den Parteien streitig. Die Höhe der Auszahlung differierte nach der Qualifikation der einzelnen Arbeitnehmer. Im einzelnen erhielten eine Aushilfe 50,– DM netto, die übrigen Arbeitnehmer 100,– DM netto, mit Ausnahme von zwei Arbeitnehmern, von denen einer wegen besonderer Belastungen eine Sonderzahlung in Höhe von 200,– DM netto und ein anderer eine solche in Höhe von 300,– DM netto erhielt. Bei den Klägern handelte es sich nicht um Aushilfen.

Anläßlich der Beendigung des Arbeitskampfes wurde von den Tarifvertragsparteien folgendes „Maßregelungsverbot” abgeschlossen:

  1. Jede Maßregelung von Beschäftigten aus Anlaß oder im Zusammenhang mit der Tarifbewegung in der Druckindustrie 1988/89 unterbleibt oder wird rückgängig gemacht, falls sie erfolgt ist.
  2. Soweit Ansprüche der Anwartschaften von der ununterbrochenen Beschäftigung oder Betriebszugehörigkeit abhängen oder davon, daß das Arbeitsverhältnis nicht geruht hat, gelten die Beschäftigungsdauer oder die Betriebszugehörigkeit durch Arbeitskampfmaßnahmen als nicht unterbrochen, das Arbeitsverhältnis als nicht ruhend.
  3. Schadensersatzansprüche aus Anlaß oder im Zusammenhang mit der Tarifbewegung entfallen.

Die Kläger sind der Ansicht, daß sie aufgrund der Vereinbarung ebenfalls einen Anspruch auf Zahlung von 100,– DM netto haben.

Die Kläger haben vorgetragen:

Durch die Zahlung an die nicht streikenden Arbeitnehmer habe eine Maßregelung seitens der Beklagten ihnen gegenüber stattgefunden.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an jeden der Kläger 100,– DM nebst 4 % Zinsen seit dem 21. Juli 1989 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen:

Die Sonderzahlung an die nicht streikenden Arbeitnehmer sei eine Arbeitskampfmaßnahme gewesen. Sinn dieser Maßnahme sei es gewesen, die Fortführung des Betriebes zu gewährleisten. Die begünstigten Arbeitnehmer seien aufgrund des Streikes einer erhöhten psychischen Belastung ausgesetzt gewesen. Dies habe durch die Zahlung ausgeglichen werden sollen.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 10. Oktober 1989 den Klagen stattgegeben und dies wie folgt begründet:

Durch die Zahlung der 100,– DM sei eine unzulässige Gruppenbildung vorgenommen worden. Einziges Kriterium für die Zahlung bzw. Nichtzahlung des Betrages sei die Beteiligung bzw. Nichtbeteiligung am Streik gewesen. Das sei ein Verstoß gegen das zwischen den Parteien vereinbarte Maßregelungsverbot. Eine Differenzierung nach individuellen Gesichtspunkten sei nicht vorgetragen worden.

Gegen dieses ihr am 10. November 1989 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11. November 1989 Berufung eingelegt und diese, nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 12. Februar 1989, am 1.2. Februar 1989 begründet.

Die Beklagte wiederholt weitgehend ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie trägt vor:

Bei der Zahlung der Sonderleistung habe es sich nicht um eine Streikbruchprämie gehandelt. Zweck der zusätzlichen Leistung sei es gewesen, den nicht streikenden Arbeitnehmern einen materiellen Ausgleich für psysische und physische Mehrbelastungen zu verschaffen. Diese hätten in der notwendigen Mehrarbeit aufgrund des Streikes und dem Druck von seiten der Streikenden gelegen. Im übrigen habe die Auszahlung der Beträge nicht nach dem Streik, sondern am 9. März und somit während des Streikes stattgefunden. Lediglich die Abrechnung sei im April 1989 durchgeführt worden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Lübeck vom 10. Oktober 1989 – 3 Ca 1367/89 – abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzu...

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