Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung während des Grundwehrdienstes, Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Kleinbetrieb nach dem Wehrdienst

 

Leitsatz (amtlich)

Die Weiterbeschäftigung des aus dem Wehrdienst oder der Wehrübung entlassenen Arbeitnehmers ist dann dem Arbeitgeber unzumutbar, wenn er das Beschäftigungsverhältnis mit der Ersatzkraft nicht mehr lösen kann. Allerdings ist von dem Arbeitgeber zu erwarten, daß er von vornherein ein befristetes Arbeitsverhältnis mit der Ersatzkraft eingeht, so daß der Arbeitsplatz für den Wehrpflichtigen nach der Entlassung aus dem Wehrdienst oder der Wehrübung wieder rechtzeitig frei wird. Ein Arbeitgeber, der schlüssig für fehlende Arbeit vortragen will, muß das konkrete Arbeitsvolumen darstellen, nämlich daß die vorhandenen und die aufgrund des üblichen Auftragseinganges zum Zeitpunkt der Beendigung des Wehrdienstes des Arbeitnehmers zu erwartenden Aufträge dergestalt sind, daß sie nur für die Auslastung der gegenwärtigen sächlichen und personellen Kapazität des Betriebes ausreichen, eine personelle Überkapazität aber vorhanden wäre, würde der den Wehrdienst ableistende Arbeitnehmer nach Beendigung des Wehrdienstes weiter beschäftigt werden müssen. Hierzu hat der Arbeitgeber konkrete Zahlen vorzutragen, wie sich zum Kündigungszeitpunkt die Auftragslage und die Auslastung der Arbeitnehmer im voraufgegangenen Jahr dargestellt hat und vergleichend die künftige Entwicklung spezifiziert darzustellen.

 

Normenkette

ArbPlSchG § 2 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Urteil vom 10.01.1985; Aktenzeichen 1 Ca 2630/84)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 10. Januar 1985 – 1 Ca 2630/84 – wird zurückgewiesen.

Der Beklagte tragt die Kosten der Berufung.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die dem Kläger gegenüber während seines Grundwehrdienstes ausgesprochene Kündigung des Beklagten das Arbeitsverhältnis aufgelöst hat.

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 20. Dezember 1984 nicht beendet worden ist. Wegen der diese Entscheidung tragenden Gründe wird auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils verwiesen.

Gegen das ihm am 28. Januar 1985 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck richtet sich die am 22. Februar 1985 eingelegte und am 21. März 1985 begründete Berufung des Beklagten.

Der Beklagte vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen nach Maßgabe seines Begründungsschriftsatzes vom 20.3.1985 insbesondere damit: Er habe einen Kleinbetrieb; bei ihm arbeiteten neben ihm, dem Beklagten, zwei Gesellen, und für den zum Grundwehrdienst eingezogenen Kläger habe er eine Ersatzkraft einstellen müssen. Da nach dem 31.12.1985 nur Aufträge für insgesamt drei Beschäftigte vorhanden sein werden und er bei einer Weiterbeschäftigung des Klägers eine Arbeitskraft zu viel hätte, könne ihm die Weiterbeschäftigung des Klägers nach der Entlassung aus dem Wehrdienst nicht zugemutet werden. Er habe substantiiert vorgetragen, daß derzeit für einen Meister und drei Gesellen in seinem Betrieb keine ausreichende Beschäftigungsmöglichkeit bestehe. Sein Betrieb bestehe erst seit 1 1/2 Jahren. Für ihn sei bei der herrschenden Auftragslage zu befürchten, daß die Auftragslage sich nicht derartig verbessern werde, daß eine weitere Kraft eingestellt werden könne. Es werde nochmals Beweis durch ein Sachverständigengutachten dafür angeboten, daß gegenwärtig der Betrieb nur insgesamt einen Meister und zwei Gesellen finanziell tragen könne. Wenn das Arbeitsgericht ausgeführt habe, er sei momentan nicht in der Lage, dazulegen, daß eine Weiterbeschäftigung nach dem 31.12.1985 für den Kläger ausgeschlossen sei, so seien diese Ausführungen unrichtig. Aufgrund der zur Zeit des Ausspruchs der Kündigung herrschenden Auftragslage könnten lediglich neben dem Beklagten zwei weitere Mitarbeiter beschäftigt werden.

Der Beklagte beantragt:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 10.01.1985 – 1 Ca 2630/84 – wird abgeändert, es wird nach den Schlußanträgen I. Instanz erkannt.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten gegen das am 10. Januar 1985 verkündete und am 28. Januar 1985 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die angegriffene Entscheidung nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 23.04.1985. Er meint, daß die bestrittene Behauptung, daß nach dem 31.12.1985 nur Aufträge für insgesamt drei Beschäftigte vorhanden seien und der Beklagte deshalb bei einer Weiterbeschäftigung des Klägers eine Arbeitskraft zu viel hätte, praktisch lediglich eine Wiederholung des Gesetzestextes mit anderen Worten enthalte. Tatsächlich habe es dem Beklagten im Zeitpunkt des Ausspruchs zur Kündigung nicht möglich gewesen sein dürfen, vorauszusehen, welcher Beschäftigungsbedarf für seinen Betrieb zum Ende des folgenden Jahres gegeben sein würde, zumal der Beklagte seine Arbeitnehmer auch an andere Firmen ausleihe. So habe er, der Kläger, während seiner Arbeitszeit überwiegend be...

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