Sabine Jungbauer, Dipl.-Ing. Werner Jungbauer
Rz. 348
Darüber hinaus ist die Verordnung auch nicht anwendbar auf die Übermittlung von elektronischen Beweismitteln, die in einem anderen Dateiformat vorliegen, da es zum einen hierfür auch keine Verordnungsermächtigung gibt. Darüber hinaus sieht der Verordnungsgeber, dass es erforderlich sein kann, Audio- oder Video-Daten als Beweismittel zu den Akten zu reichen, sodass diese Beweismittel nach den Vorschriften der jeweiligen Verfahrensordnung über die Beweismittel in das Gerichtsverfahren auch künftig eingeführt werden können sollen. Audio- und Video-Dateien können daher in solchen Fällen auch z.B. in den Dateiformaten WAV, MP3, MPEG oder AVI durch Vorlegung oder Übermittlung der Datei im Wege des Augenscheinsbeweises in das Verfahren eingeführt werden, § 371 Abs. 1 S. 2 ZPO.
Rz. 349
Ausdrücklich weist der Verordnungsgeber darauf hin, dass bei der elektronischen Übermittlung von Beweismitteln als Anlage zu einem Schriftsatz die Verordnung sehr wohl gilt.
Rz. 350
Sofern Urkunden als Beweismittel in das Verfahren eingebracht werden, sollen diese bereits seit dem 1.7.2014 gemäß § 131 Abs. 1 ZPO nur noch als Abschriften und nicht mehr im Original zu den Akten gereicht werden. Sofern der Schriftsatz daher nicht in Papierform, sondern als elektronisches Dokument übermittelt wird, findet die ERVV auf solche Anlagen zu Schriftsätzen Anwendung.
Rz. 351
§ 2 ERVV regelt die Anforderungen an die einzureichenden elektronischen Dokumente. Nach Ansicht des Verordnungsgebers sind hiervon folgende Dokumente umfasst:
- vorbereitende Schriftsätze
- bestimmende Schriftsätze
- Anlagen zu vorbereitenden und/oder bestimmenden Schriftsätzen
- schriftlich einzureichende Anträge
- schriftlich einzureichende Erklärungen der Beteiligten
- schriftlich einzureichende Auskünfte
- schriftlich einzureichende Aussagen
- Gutachten
- Übersetzungen
- Erklärungen Dritter
Rz. 352
Zitat
"Über die Anforderungen der ERV-Verordnung hinaus entscheidet im Einzelfall das jeweilige Gericht, ob ein elektronisches Dokument zur Bearbeitung geeignet ist",
so der Verordnungsgeber in der Begründung zur Verordnung. Nach Ansicht des Verordnungsgebers können zur Bearbeitung ungeeignet sein:
- elektronische Dokumente, die mit Schadsoftware versehen sind
- elektronische Dokumente, die durch ein Kennwort lesegeschützt sind.
Rz. 353
§ 130a Abs. 6 ZPO (bzw. entsprechende weitere Vorschriften für die Fachgerichte) regelt in der ab 1.1.2018 geltenden Fassung, dass dann, wenn eine Datei für das Gericht in nicht zur Bearbeitung geeigneter Form übermittelt wird, dieses den Absender unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs auf die geltenden technischen Rahmenbedingungen unverzüglich hinweist und das Dokument als zum Zeitpunkt der früheren Übermittlung eingegangen gilt, sofern der Absender es unverzüglich im geeigneten Dateiformat nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt.
Rz. 354
Ist für ein Dokument grundsätzlich die schriftliche Einreichung bei Gericht nicht vorgeschrieben, gilt die ERVV ebenfalls nicht. Hierunter können fallen:
Rz. 355
Werden nicht aktenrelevante "Arbeitshilfen" für das Gericht übermittelt, besteht ebenfalls keine Bindung an die ERVV. Hierbei kann es sich z.B. um Excel-Tabellen oder ITR- bzw. ASCII-Dateien handeln, die neben den Schriftsätzen eingereicht werden.
Rz. 356
Bestimmende/vorbereitende Schriftsätze sind z.B.:
- Schriftsatz, der einen Antrag enthält
- Klageerwiderung
- Widerklage/Eventualwiderklage
- Schriftsatz, mit dem hilfsweise die Aufrechnung erklärt wird
- Schriftsatz, der Hilfsantrag enthält
- Stellungnahme Schriftsatz
- Rechtsmitteleinlegung
- Rechtsmittelbegründung
- Antrag auf Kostenfestsetzung
- Übermittlung Zeugengebührenverzichtserklärung
- Mitteilung über Anschrift von Zeugen
- Übermittlung von Beweismitteln
- Zusammenfassender Sachvortrag
Rz. 357
Dabei wird mit Sachantrag ein Antrag bezeichnet, mit dem der Kläger erklärt, welchen Inhalt die von ihm angestrebte Entscheidung haben soll. § 272 Abs. 1 ZPO bestimmt dabei, dass der "Rechtsstreit in der Regel in einem umfassend vorbereiteten Termin zur mündlichen Verhandlung (Haupttermin) zu erledigen" ist. Die vorbereitenden Maßnahmen durch das Gericht sind u.a. in § 273 ZPO enthalten.