Sabine Jungbauer, Dipl.-Ing. Werner Jungbauer
Rz. 230
Jede Kanzlei sollte für das Thema "beA und ERV" einen Projektplan aufstellen, um die Büroorganisation rechtzeitig anzupassen. Hierzu ist ausreichend Zeit einzuplanen. Eine seit Jahren bestehende Büroorganisation kann man nicht über Nacht umstellen.
I. Entscheidung treffen: Testphase für beA? Wenn ja, wie lange?
Rz. 231
Der "Welpenschutz" aus § 31 RAVPV endet zum 31.12.2017. Will man aber wirklich solange warten und eingehende Post im beA ignorieren? Hierzu gibt es nach unserer Auffassung keinen Grund. Ab 1.1.2018 wird wegen § 31a Abs. 6 BRAO ohnehin nicht mehr gefragt, ob man Zustellungen und den Zugang von Mitteilungen via beA gegen sich gelten lassen möchte. Als wettbewerbsfähige Kanzlei sollte man das Thema ERV und beA nicht auf die lange Bank und auf den letzten Tag des Fristablaufs verschieben. Zudem gibt es auch einen solchen Schutz nicht für den von vielen Kanzleien genutzten EGVP-Client bzw. den Nachfolger Governikus Communicator.
Rz. 232
Eine Testphase wird für sinnvoll erachtet. Hier ist darauf zu achten, dass ausschließlich nicht berufsbezogene Testnachrichten aus dem beA heraus versendet werden, um nicht das beA schon ungewollt vor dem 31.12.2017 für Zustellungen zu widmen.
II. Posteingang via beA
Rz. 233
Bevor man die Testphase beendet, muss sichergestellt sein:
- Wer hat welche Rechte im beA des Anwalts?
- Ist sichergestellt, dass Posteingänge nicht exportiert/gelöscht werden, bevor enthaltene Termine und Fristen notiert sind?
- Ist die Verfahrensanweisung zur Behandlung des Posteingangs unter Einbeziehung des beA erstellt bzw. überarbeitet?
- Weiß jeder Mitarbeiter und Anwalt, der mit dem beA arbeitet, was zu tun und zu lassen ist? (Stichwort: Wie wird wirksam eingereicht?)
- Besteht allgemein Kenntnis in der Kanzlei über die rechtlichen Anforderungen – Öffnung der Gerichte/Gerichtsbarkeiten und Sendepflichten im elektronischen Rechtsverkehr?
III. Postausgang via beA
Rz. 234
Sofern die Kanzlei noch überwiegend mit Papierakte arbeitet, sollte darüber nachgedacht werden, den ERV und das beA stufenweise einzuführen. Es gibt keine Pflicht, das beA auch für den Postausgang vor dem 1.1.2018 zu nutzen (ab 1.1.2018: Nutzungspflicht eines sicheren Übermittlungswegs für die Rücksendung elektronischer EBs). Da das Inkrafttreten des § 130a ZPO in der ab 1.1.2018 geltenden Fassung voraussichtlich in der überwiegenden Anzahl der Bundesländer nicht auf 2019 oder 2020 verschoben wird, vereinfacht sich die Einreichung elektronischer Dokumente. Haftungsrisiken können ab diesem Zeitpunkt dadurch minimiert sein.
Rz. 235
Gerade Kanzleien, die bisher noch wenig oder keine Erfahrung mit dem Elektronischen Rechtsverkehr haben, werden vielleicht mit der Einreichung von elektronischen Dokumenten noch warten wollen. Eine besondere Eile ist hier nicht geboten, frühestens wird es zum 1.1.2020 (außerhalb der eEBs) die Pflicht zur elektronischen Einreichung geben. Natürlich ist es aber sinnvoll, schon vorher "zu üben". Angenommen, eine Kanzlei entscheidet sich, mit dem allgemeinen Postausgang via beA ab dem 1.7.2018 zu starten, so empfehlen wir, zunächst mit "harmlosen" und nicht mit bestimmenden Schriftsätzen zu beginnen.
IV. Einführung der E-Akte – weg von Hybridakte
Rz. 236
Spätestens, wenn die überwiegenden Postein- und -ausgänge via beA abgewickelt werden, stellt sich die Frage nach einer Vereinfachung der Arbeit; es bietet sich an, ähnlich wie die Justiz, spätestens zum 1.1.2026, ggf. früher, auch in der Kanzlei auf E-Akte umzustellen. Dabei ist es natürlich nicht verboten, dass ein Anwalt bestimmte Schriftstücke zusätzlich für sich ausgedruckt vorhält. Es sollte ab diesem Zeitpunkt aber die E-Akte immer ein vollständiges Bild der gesamten Akte abgeben und nicht mehr nur ein "Stückwerk" sein.
Rz. 237
Zu beachten ist, dass bei der Umstellung von Papier- zur E-Akte Kanzleimitarbeiter im rechtssicheren ersetzenden Scannen geschult sind, um eine falsche Dokumentenbehandlung und ggf. fehlerhafte Dokumentenvernichtung zu vermeiden.