Sabine Jungbauer, Dipl.-Ing. Werner Jungbauer
Rz. 294
§ 130a ZPO lautet in der heutigen bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung wie folgt: (Fettdruck durch die Verfasser):
(1) 1Soweit für vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen, für Anträge und Erklärungen der Parteien sowie für Auskünfte, Aussagen, Gutachten und Erklärungen Dritter die Schriftform vorgesehen ist, genügt dieser Form die Aufzeichnung als elektronisches Dokument, wenn dieses für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist. 2Die verantwortende Person soll das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. 3Ist ein übermitteltes elektronisches Dokument für das Gericht zur Bearbeitung nicht geeignet, ist dies dem Absender unter Angabe der geltenden technischen Rahmenbedingungen unverzüglich mitzuteilen.
(2) 1Die Bundesregierung und die Landesregierungen bestimmen für ihren Bereich durch Rechtsverordnung den Zeitpunkt, von dem an elektronische Dokumente bei den Gerichten eingereicht werden können, sowie die für die Bearbeitung der Dokumente geeignete Form. 2Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen. 3Die Zulassung der elektronischen Form kann auf einzelne Gerichte oder Verfahren beschränkt werden.
(3) Ein elektronisches Dokument ist eingereicht, sobald die für den Empfang bestimmte Einrichtung des Gerichts es aufgezeichnet hat.
Rz. 295
Nach Ansicht des BGH stellt das Wort "soll" in § 130a ZPO eine "Muss-Vorschrift" dar.
Ähnlich hat auch das BVerwG entschieden.
Rz. 296
Auch das OVG Sachsen-Anhalt hält einen schriftlich erhobenen Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt durch reine E-Mail für unwirksam und verweist auf die Notwendigkeit der Eröffnung des ERV sowie der Anbringung einer qeS. Zahlreiche weitere Entscheidungen verlangen zur Formwirksamkeit ebenfalls die Anbringung einer qeS. Eine einfache E-Mail erfüllt die Anforderungen an die Identitäts- und Echtheitsgarantie (des damaligen § 2 Abs. 3 SigG) nicht!
Rz. 297
Ob auch die Anlagen mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein müssen, auch wenn sie im "Papierbetrieb" ohne Beglaubigungsvermerk eingereicht würden, ist fraglich! § 130a Abs. 1 S. 1 ZPO spricht davon, dass die qeS erforderlich ist, soweit für Schriftsätze und deren Anlagen, für Anträge und Erklärungen der Parteien sowie für Auskünfte, Aussagen, Gutachten und Erklärungen Dritter die Schriftform vorgesehen ist; § 130a Abs. 1 S. 2 ZPO. Hieraus lässt sich unseres Erachtens entnehmen, dass Anlagen nur mit qeS versehen werden müssen, wenn für sie die Schriftform galt. Wurden in der Vergangenheit Anlagen beglaubigt, empfiehlt es sich, diese auch im elektronischen Zeitalter mit einer qeS zu versehen.
Rz. 298
Damit ist klargestellt, dass bis zum 31.12.2017 Schriftsätze etc. im Sinne des § 130a Abs. 1 ZPO als elektronisches Dokument nur eingereicht werden können, wenn
- ein geeignetes Dokumentenformat verwendet wird,
- die einzureichenden elektronischen Dokumente mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind und
- durch Rechtsverordnung für das Empfängergericht der elektronische Rechtsverkehr eröffnet ist.
Rz. 299
Die qualifizierte elektronische Signatur ist vom Anwalt persönlich anzubringen.
Rz. 300
Es ist also besonders darauf zu achten, dass für das jeweilige Gericht auch wirklich schon durch Rechtsverordnung der Zugang zum elektronischen Rechtsverkehr eröffnet ist! Verlassen Sie sich bitte NICHT darauf, dass dieser Zugang gewährleistet ist, nur weil das Gericht in die EGVP-Adressliste aufgenommen ist! Die nachstehende Entscheidung des OLG Düsseldorf zeigt die Brisanz dieses Themas!
Zitat
"Eine Berufungsbegründung ist nicht wirksam eingelegt, wenn sie an ein elektronisches Gerichtspostfach (EGVP) des Berufungsgerichts übermittelt wird, für das nicht durch Rechtsverordnung der elektronische Rechtsverkehr eröffnet ist. Eine Wiedereinsetzung scheidet aus, weil der Rechtsanwalt rechtlich zu prüfen hat, ob das EGVP auch zur Fristwahrung genutzt werden darf."
Rz. 301
Im vorliegenden Fall ist der Streitwert für das Berufungsverfahren auf 30 Mio. EUR (Höchstgrenze nach § 22 Abs. 2 RVG, § 39 GKG) festgesetzt worden und die eigentliche Beschwer der Mandantin in dem kartellrechtlichen Verfahren soll 70 Mio. EUR betragen haben. Der BGH hat lt. Viefhues die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen. Man kann nur hoffen, dass die Kanzlei zumindest eine wirksame Haftungsbeschränkung mit dem Mandanten getroffen (vgl. dazu § 52 BRAO) oder eine Einzelhaftpflichtversicherung abgeschlossen hatte!