Sabine Jungbauer, Dipl.-Ing. Werner Jungbauer
I. Stufenweiser Ausbau des ERV
Rz. 273
Im Oktober 2013 hat der Gesetzgeber das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten verkündet (e-Justice-Gesetz I). Mit diesem Gesetz sollte die bereits vor Jahren begonnene Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs gefördert werden. Das Inkrafttreten erfolgt zu unterschiedlichen Zeitpunkten und wird in Art. 26 dieses Gesetzes geregelt. Während einige Bestimmungen bereits zum 1.1.2014 in Kraft getreten sind, werden andere erst am 1.1.2022 wirksam. Das gesamte Gesetz kann im Internet unter www.buzer.de abgerufen werden.
Rz. 274
Für folgende Rechtswege ist der elektronische Rechtsverkehr durch das bereits verabschiedete e-Justice-Gesetz I vorgesehen:
- Zivilgerichtsbarkeit (hierzu gehören auch die Familiengerichte und andere Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit, § 13 GVG)
- Arbeitsgerichtsbarkeit
- Finanzgerichtsbarkeit
- Sozialgerichtsbarkeit und
- Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Rz. 275
Für die Strafgerichtsbarkeit und OWi-Sachen ist das "Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderungen des elektronischen Rechtsverkehrs" am 12.7.2017 verkündet worden (=e-Justice-Gesetz II). Mit diesem Gesetz wird nicht nur – wie zunächst noch geplant – die elektronische Gerichtsakte in Strafsachen, sondern auch in der Zivil- und den Fachgerichtsbarkeiten zum 1.1.2026 verpflichtend eingeführt. Das Gesetz wurde am 12.7.2017 verkündet. Mit diesem Gesetz wird auch ein bundesweites Akteneinsichtsportal der Justiz für alle Länder und den Bund aufgebaut, das die digitale Akteneinsicht in Straf- und weiteren Gerichtsakten ermöglichen soll.
II. Aktueller Stand der angeschlossenen Gerichte
Rz. 276
Mit Ausnahme des Bundesverfassungsgerichts sind bereits alle Bundesgerichte am elektronischen Rechtsverkehr angeschlossen. Auf Länderebene kann der Ausbau z.B. unter www.egvp.de verfolgt werden. Hier ist zu beachten, dass der Gesetzgeber geplant hatte, dass ab 1.1.2018 sämtliche Gerichte in Deutschland nicht nur technisch, sondern auch rechtlich adressierbar sein würden. Er beabsichtigte dieses Ziel durch Änderung der Verfahrensordnungen zu erreichen, die bis dahin vorsahen, dass nur dort die Einreichung als elektronisches Dokument möglich sei, wo bereits durch eigene Rechtsverordnung der ERV eröffnet sei. Er hat jedoch in der Übergangsvorschrift des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten in Art. 24 vorgesehen, dass die Landesregierungen bestimmen können, dass die §§ 130a ZPO, § 14 Abs. 2 und 4 FamFG, § 46c ArbGG, § 65a SGG, § 55a VwGO, § 52a FGO, § 81 Abs. 4 S. 1, 2 und 5 GBO, § 89 Abs. 4 S. 1, 2 und 5 SchRegO, § 95 Abs. 2 S. 1, 2 und 5 LuftFzgG in der jeweils am 31. Dezember 2017 geltenden Fassung bis jeweils zum 31. Dezember des Jahres 2018 oder 2019 weiter Anwendung finden. Die Fortgeltung der in Satz 1 genannten Vorschriften kann nur einheitlich bestimmt werden. Diese Übergangsvorschrift wird auch "Opt-Out-Klausel" genannt. Sie hat zur Folge, dass in diesen Bereichen die bis 31.12.2017 geltende Fassung des jeweiligen Verfahrensrechts weiter fortbesteht. Siehe hierzu auch Rdn 294. Für die Straf- und Owi-Sachen ist eine solche Opt-Out-Klausel in Art. 15 geregelt, der bestimmt, dass die Einreichung von elektronischen Dokumenten gem. § 32a StPO erst zum 1.1.2019 oder 1.1.2020 und § 41a StPO bis dahin weiter gilt. Gem. §§ 110c, 134 OWiG gelten diese Vorschriften und die Opt-Out-Klausel auch für Owi-Sachen. Die Frage, in welchen Bundesländern ab 1.1.2018 die entsprechenden Verfahrensordnungen in der bis 31.12.2017 weiter geltenden Fassung oder der neuen Fassung gelten, wird daher von hoher haftungsrechtlicher Relevanz sein, da die Anforderungen an die Einreichung elektronischer Dokumente in diesem Fall unterschiedlich sind!