Sabine Jungbauer, Dipl.-Ing. Werner Jungbauer
Rz. 87
Genauso wie ein Anwalt seiner Mitarbeiterin oder seinem Mitarbeiter wohl niemals die Postmappe mit dem Hinweis übergeben würde "Bitte unterschreiben Sie doch heute für mich", bedarf es wohl keiner näheren Darlegung, dass die Verwendung von Signaturkarte und dazugehöriger PIN dem Inhaber der Signaturkarte vorbehalten ist.
Rz. 88
Tipp:
Weder die beA-Karte Basis noch die beA-Karte Signatur sollten mit PIN vom Anwalt an seine Mitarbeiter oder an andere Anwälte übergeben werden! Beide Karten haben im beA eine Ausweisfunktion und weisen den Nutzer als Anwalt aus! Gibt der Anwalt seine beA-Karte (gleich ob Basis oder Signatur) einem Mitarbeiter mit PIN zur Hand, hilft er diesem, sich im beA als Anwalt auszugeben!
Rz. 89
Im Zweifel ist der Signaturschlüsselinhaber bei einem etwaigen Missbrauch beweispflichtig.
Rz. 90
Insbesondere in Verfahren, in denen Anwaltszwang herrscht, kann daher auch der Missbrauch der Signaturkarte (d.h. Nutzung durch andere als den Signaturkarteninhaber) zur Unwirksamkeit von Rechtshandlungen führen.
Rz. 91
Der BGH hat hierzu schon 2010 entschieden:
Zitat
"Bei einer elektronisch übermittelten Berufungsbegründung muss die qualifizierte elektronische Signatur grundsätzlich durch einen zur Vertretung bei dem Berufungsgericht berechtigten Rechtsanwalt erfolgen. Dieses Formerfordernis ist jedenfalls dann nicht gewahrt, wenn die Signatur von einem Dritten unter Verwendung der Signaturkarte des Rechtsanwalts vorgenommen wird, ohne dass dieser den Inhalt des betreffenden Schriftsatzes geprüft und sich zu eigen gemacht hat."
Rz. 92
Auch bei Einreichung im Original oder per Fax MUSS eine eigenhändige Unterschrift des Anwalts angebracht werden. Nach Ansicht des BGH muss daher auch bei elektronischer Einreichung die qeS, um gleichwertig zur eigenhändigen Unterschrift des Anwalts zu sein, vom Anwalt selbst angebracht werden. Die Ausführung des BGH,
Zitat
"Dieses Formerfordernis ist jedenfalls dann nicht gewahrt, wenn die Signatur von einem Dritten unter Verwendung der Signaturkarte des Rechtsanwalts vorgenommen wird, ohne dass dieser den Inhalt des betreffenden Schriftsatzes geprüft und sich zu eigen gemacht hat",
bedeutet unseres Erachtens nicht, dass die Anbringung der qeS durch eine Mitarbeiterin/einen Mitarbeiter dann erlaubt ist, wenn der Anwalt vor Anbringung der qeS den Schriftsatz nochmals geprüft hat.
Rz. 93
Zum Thema Blankounterschrift (Schriftform): Die Verwendung einer Blankounterschrift ist nur dann zulässig, wenn der Anwalt "den Inhalt des Schriftsatzes so genau festgelegt hat, dass er dessen eigenverantwortliche Prüfung bestätigen kann." Nach Ansicht des BGH ist das im Einzelfall bei einem "weitgehend formalisierten Text" der Fall, scheidet jedoch bei Rechtsmittelbegründungen "regelmäßig aus, weil der Anwalt die ihm obliegende eigenverantwortliche Prüfung hier nur bestätigen kann, wenn er den Text im Einzelnen kennt." Es reicht auch nicht ein Diktat aus, um die Vorgaben zu erfüllen, da gerade bei längeren Schriftsätzen auch Übertragungsfehler nicht ausgeschlossen werden können. Es ist vielmehr bei der Schriftform der Ausdruck nochmals zu prüfen, entsprechendes gilt für die elektronische Signatur. Angeführt hatte der BGH auch, dass nicht vorgetragen worden war, dass die Mitarbeiterin die Signaturkarte des Anwalts weisungswidrig genutzt hatte. Dies hätte dem Anwalt nach unserer Auffassung auch nichts genutzt, da er die PIN für seine beA-Karte Basis und beA-Karte Signatur ohnehin nicht herausgeben darf, vgl. § 26 Abs. 1 RAVPV.
Rz. 94
Nach Ansicht des LG Potsdam kann ein postulationsfähiger Anwalt zwar einen Schriftsatz für den Kollegen mit qeS signieren, wenn er den Schriftsatz durchgelesen und sich dessen Inhalt zu eigen gemacht hat; er hat hierbei aber seine eigene Signaturkarte und nicht die des Kollegen zu verwenden.
Rz. 95
Der Anwalt hat darüber hinaus die Signatureinheiten vor Missbrauch zu schützen, darf das für ihn erzeugte Zertifikat und die PIN keiner anderen Person überlassen und hat die PIN geheim zu halten, § 26 Abs. 1 RAVPV. Es wäre darüber hinaus ja auch geradezu absurd, wenn der Anwalt seine Karte und PIN erst weitergibt, um dann wegen unbefugtem Zugriff eine Sperrung vornehmen zu müssen, § 26 Abs. 2 RAVPV.
Rz. 96
Die Weitergabe von beA-Karten (Basis und auch Signatur) und dazugehörigen PINs an Mitarbeiter zieht somit nicht nur ggf. verfahrensrechtliche und evtl. materiell-rechtliche Konsequenzen nach sich, sondern ist ein berufsrechtlicher Verstoß, der entsprechend geahndet werden kann. Nach unserer Auffassung muss ein Anwalt, der gegen seine berufsrechtlichen Pflichten aus § 26 RAVPV verstößt, nicht nur mit berufsrechtlichen Konsequenzen rechnen, sondern macht sich gegenüber seinem Mandanten auch schadensersatzpflichtig, wenn aufgrund dieser Berufsrechtsverstöße für den Mandanten ein Schaden verursacht wird. Dass die Haftpflichtversicherer hierin möglicherweise auch eine grobe Obliegenheitsverletzung sehen, ist zu befürchten.
Rz. 97
Für den Nota...