OFD Niedersachsen, Verfügung v. 26.8.2011, S 7100 - 497 - St 172
1. Allgemeines
Nach dem Telekommunikationsgesetz (TKG) vom 22.6.2004 (BGBl 2004 I S. 1190) besteht für die Betreiber eines Telekommunikationsdienstes (sog. Teilnehmernetzbetreiber – TNB –, z.B. Deutsche Telekom AG) regelmäßig die Pflicht, auch über Leistungen anderer Netzbetreiber (sog. Verbindungsnetzbetreiber – VNB –) im Interconnectionsverfahren oder sonstiger Diensteanbieter (DB) abzurechnen. Die Abrechnung muss die Voraussetzungen des § 45h Abs. 1 TKG erfüllen (Ausweis der auf andere Anbieter entfallenden Entgelte, sowie Angabe deren Namen und Telefonnummern). Wird diese Abrechnungsform genutzt, gelten nach § 45h Abs. 4 TKG für Zwecke der Umsatzsteuer die Leistungen der VNB oder DB als vom TNB in eigenem Namen und für fremde Rechnung an den Endkunden (Anrufer) erbracht. Entsprechendes gilt, wenn mehrere VNB zwischengeschaltet werden.
Damit werden durch das TKG die tatbestandlichen Voraussetzungen der Dienstleistungskommission im Sinne des § 3 Abs. 11 UStG herbeigeführt, mit der Folge, dass die Leistung der VNB oder DB als an den TNB, und vom TNB an den Endkunden erbracht gilt (sog. Branchenlösung). Leistungs- und Rechnungsweg sind somit identisch. Dem Endkunden steht unter den Voraussetzungen des § 15 UStG der Vorsteuerabzug aus Rechnungen des TNB zu, da dieser als leistender Unternehmer anzusehen ist.
2. Das Interconnectionsverfahren
Nach dem TKG muss jeder TNB den Nutzern ermöglichen, auch einen anderen VNB für die Übermittlung der Signale wählen zu können. Dabei kann der Nutzer die Leistungen des VNB entweder dauerhaft („Preselection”) oder auch fallweise („Call-by-Call-Selection”) in Anspruch nehmen. Die Abrechnung der Leistungen des VNB wird in der Regel vom TNB übernommen (s.o., Abrechnungspflicht lt. TKG). Der VNB und der TNB arbeiten somit zusammen (sog. Interconnection).
Wird die Leistung über den TNB abgerechnet, treten die Folgen des § 45h Abs. 4 TKG und des § 3 Abs. 11 UStG ein und die Leistung gilt als vom VNB an den TNB und von diesem an den Endkunden erbracht. Sowohl der VNB, als auch der TNB erbringen Telekommunikationsdienstleistungen im Sinne des § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 11 UStG. Der Ort der Leistung bestimmt sich nach § 3a Abs. 1, Abs. 2 oder Abs. 4 Satz 1 UStG (vgl. Abschn. 3a.8 UStAE).
3. Diensteanbieter von 0900er Nummern (Premiumdienste)
Bei Premiumdiensten werden über die Telekommunikationsdienstleistung hinaus sog. Inhaltsleistungen (z.B. Informationsdienstleistungen wie Verkehrs-, Wetter-, oder Börsendaten) erbracht. Die Inhaltsleistungen können über Service-Rufnummern abgerufen werden, bei denen in der Regel ein erhöhtes Verbindungsentgelt anfällt.
Die DB erbringen keine Telekommunikationsdienstleistungen im Sinne des § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 11 UStG, sondern andere Inhaltsleistungen, die regelmäßig Leistungen im Sinne des § 3a Abs. 4 Satz 2 UStG darstellen (vgl. Abschn. 3a.10 Abs. 4 UStAE).
Erfolgt die Abrechnung dieser Leistungen durch den TNB, treten auch hier die Rechtsfolgen des § 45h Abs. 4 TKG und des § 3 Abs. 11 UStG ein. Die Leistung gilt damit als vom DB an den TNB und von diesem an den Endkunden erbracht. Diese Folge der Leistungskette tritt auch ein, wenn ein oder mehrere VNB (siehe unter 2.) zwischengeschaltet werden.
4. Diensteanbieter von 0180er Nummern (Shared Cost-Dienste)
Bei der Rufnummer 0180 teilen sich der Anrufer und der Inhaber der Rufnummer die Kosten des Gesprächs. Der TNB erbringt zwei Telekommunikationsdienstleistungen im Sinne des § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 11 UStG: an den Anrufer die Herstellung der Verbindung und an den Anbieter das Ermöglichen der bundesweiten ständigen Erreichbarkeit zu demselben Tarif.
Erfolgt die Abrechnung gegenüber dem Endnutzer durch den TNB, treten auch hier die Rechtsfolgen des § 45h Abs. 4 TKG und des § 3 Abs. 11 UStG ein. Zusätzlich zu der Leistungskette DB an TNB und TNB an Endkunde tritt in diesem Fall die Telekommunikationsdienstleistung des TNB an den DB.
5. Grenzüberschreitende Sachverhalte
Die Anwendung des § 45h Abs. 4 TKG setzt voraus, dass die Abrechnung des TNB in den Anwendungsbereich des TKG fällt. Erfolgt die Abrechnung durch einen außerhalb des Geltungsbereichs des TKG ansässigen TNB gegenüber dessen Endkunden, sind die Leistungsbeziehungen anhand der tatsächlichen Vertrags- und Rechtslage zu bestimmen (bei Premiumdiensten: Inhaltsleistung des DB direkt an den Endkunden und Telekommunikationsdienstleistung des TNB). Entsprechende Auswirkungen ergeben sich für die Rechnungslegung und den Vorsteuerabzug der eingeschalteten Unternehmen.
Um bei grenzüberschreitenden Sachverhalten eine etwaige mehrfache Umsatzsteuerbelastung zu vermeiden, ist nach bundeseinheitlich abgestimmter Auffassung die sog. Branchenlösung (Annahme einer Leistungskette) auch anzuwenden, wenn § 45h TKG für den TNB zwar nicht gilt, weil dieser im Ausland ansässig ist, der ausländische Staat aber entsprechend der Branchenlösung verfährt. Voraussetzung ist somit, dass durch den TNB auch die Lei...