I. Rechtsgrundlagen und Rechtsformen
1. Rechtsgrundlagen
Rz. 1
Das lettische Gesellschaftsrecht ist hauptsächlich im Handelsgesetzbuch (Komerclikums, HGB) geregelt. Die Neufassung dieses Gesetzes ist am 1.1.2002 in Kraft getreten. Es orientiert sich an den Regelungen des deutschen Handelsgesetzbuches, des GmbH-Gesetzes sowie an denen des Aktiengesetzes und Umwandlungsgesetzes. Zusätzlich sind insbesondere die Bestimmungen des Zivilgesetzbuches (Civillikums, ZGB) zu beachten und anzuwenden.
2. Rechtsformen
Rz. 2
Das lettische HGB stellt folgende fünf Organisationsformen für eine kaufmännische Betätigung zur Verfügung:
▪ |
Einzelkaufmann (individuālais komersants – IK); |
▪ |
offene Handelsgesellschaft – oHG (pilnsabiedrība – PS); |
▪ |
Kommanditgesellschaft – KG (komandītsabiedrība – KS); |
▪ |
Gesellschaft mit beschränkter Haftung – GmbH (sabiedrība ar ierobežotu atbildību – SIA); |
▪ |
Aktiengesellschaft – AG (akciju sabiedrība – AS). |
Rz. 3
Seit dem 1.5.2010 gibt es zusätzlich eine "kleine" SIA oder "1-EUR-SIA", die als Unterform der SIA gestaltet ist. Die "kleine SIA" soll zur Entwicklung kleiner und mittlerer Unternehmen beitragen und ist gleichzeitig eine Übergangsform zu der herkömmlichen SIA. Außerdem besteht die Möglichkeit, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (sabiedrība) gemäß den Vorschriften des ZGB zu gründen, die allerdings keine Handelsgesellschaft ist.
Rz. 4
Eine Mischform vom Typ der GmbH & Co. KG ist in Lettland zulässig, allerdings nicht besonders gesetzlich geregelt. In der Praxis findet die GmbH & Co. KG kaum Anwendung, zumal eine Personengesellschaft gegenüber einer Körperschaft im Hinblick auf deren Steuerlast nicht von Vorteil ist.
Rz. 5
Wesentliche praktische Bedeutung kommt der AS und vor allem der SIA zu. Diese beiden Gesellschaftsformen werden mit Abstand am häufigsten verwendet. Alle Handelsgesellschaften sind im lettischen Handelsregister (Komercreistrs) registriert. Deren Angaben sind öffentlich und kostenfrei auf der Website https://info.ur.gov.lv auf Englisch und Lettisch einzusehen, einschließlich historischer Daten sowie Angaben über ggf. laufende Insolvenz- oder Liquidationsverfahren.
II. Umsetzung der EU-Richtlinien
Rz. 6
Seit dem Beitritt Lettlands zur EU am 1.5.2004 fand eine umfassende Anpassung an das europäische Rechtssystem statt. EU-Richtlinien wurden und werden in allen Bereichen in nationales Recht umgesetzt; dabei wählt der Gesetzgeber in aller Regel die direkte Umsetzung, ohne zusätzliche Voraussetzungen oder Beschränkungen.
III. Auswirkungen von Inspire Art
Rz. 7
Die Inspire Art-Entscheidung des EuGH hat seine bisher ergangenen Leitentscheidungen zum Gesellschaftsrecht in Europa untermauert. Dabei rückt in Europa die teilweise vorherrschende Sitztheorie zunehmend in den Hintergrund vor der die Niederlassungsfreiheit bestärkenden Gründungstheorie. Lettland folgt der EU-Rechtsprechung und damit werden ausländische Unternehmen in ihrer ausländischen Gesellschaftsform in Lettland anerkannt und mittlerweile nimmt das Handelsregister die Eintragung ausländischer Gesellschaften vor.