I. Eintritt der gesetzlichen Erbfolge
Rz. 5
Die in Lettland in den Art. 390–417 ZGB normierte gesetzliche Erbfolge kommt in Betracht, sofern
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kein Testament vorhanden ist bzw. mit dem Testament nicht das ganze Vermögen des Erblassers an die Erben bestimmt wurde; |
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das Testament für ungültig erklärt wurde; |
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die testamentarischen Erben einen Verzicht hinsichtlich ihres vorgesehenen Erbteils erklärt oder die Erbschaft nicht angenommen haben; |
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ein testamentarischer Erbe vor Eintritt des Erbfalls gestorben ist und ein weiterer nicht eingesetzt worden ist. |
Rz. 6
Gesetzliche Erben sind nach Art. 391 ZGB:
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der Ehegatte; |
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die Verwandten; |
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die Adoptierten. |
II. Erbrecht des Ehegatten
Rz. 7
Das Erbrecht des überlebenden Ehegatten ist gem. Art. 392 ZGB unabhängig von dem zwischen den Ehegatten zu Lebzeiten gewählten Güterstand. Der überlebende Ehegatte erbt mit Kindern bzw. weiteren Abkömmlingen einen Kindeserbteil, erhält aber zumindest ein Viertel (Art. 393 ZGB). Neben Erben der zweiten und dritten Ordnung erbt er die Hälfte des Nachlasses und erhält die Wohnungseinrichtung als "Voraus" (Art. 396 Abs. 1 ZGB). Neben Erben weiterer Ordnungen wird der Ehegatte gesetzlicher Alleinerbe (Art. 396 Abs. 2 ZGB).
Rz. 8
Dem überlebenden Ehegatten wird zudem das Recht eingeräumt, einen aufgrund seiner Größe nicht teilbaren Nachlass ungeteilt zu verwalten und zu nutzen. Dieses in Art. 394 ZGB verankerte Recht besteht zumindest, bis erbberechtigte Kinder die Volljährigkeit erlangen, und kann nur unter bestimmten – dort genannten – Voraussetzungen erlöschen oder dem Ehegatten nach Art. 395 ZGB wegen unsachgemäßer Nutzung oder Verwaltung entzogen werden. In einem solchen Fall wird ein besonders für den Verwaltungszweck eingesetzter Pfleger beauftragt.
III. Erbrecht der Verwandten
Rz. 9
In Lettland gelten das Repräsentationsprinzip und die Regeln über die Erbfolge nach Stämmen. So stellt Art. 405 ZGB klar, dass, solange ein Erbe einer früheren Ordnung seine Annahme der Erbschaft erklärt hat, ein Erbe einer späteren Ordnung nicht zur Erbfolge gelangt.
Rz. 10
Nach Art. 404 ZGB sind bei der Erbfolge vier Ordnungen von gesetzlichen Erben zu unterscheiden:
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In der ersten Ordnung erben, ohne Rücksicht auf die Nähe des Grades, alle diejenigen Nachkommen des Erblassers, zwischen denen einerseits und dem Erblasser andererseits keine anderen zur Erbfolge berechtigten Nachkommen vorhanden sind. |
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In der zweiten Ordnung erben die dem Grade nach nächsten Vorfahren des Erblassers sowie die vollbürtigen Geschwister des Erblassers und die Kinder der vor ihm verstorbenen vollbürtigen Geschwister. |
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In der dritten Ordnung erben die halbbürtigen Geschwister des Erblassers und die Kinder der vor ihm verstorbenen halbbürtigen Geschwister. |
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In der vierten Ordnung erben die übrigen dem Grade nach nächsten Seitenverwandten, ohne Unterschied der vollen oder halben Geburt. |
Rz. 11
Nichteheliche Kinder – wenn deren Abstammung festgestellt worden ist, sie legitimiert worden sind oder Brautkinder sind – und adoptierte Kinder stehen den ehelichen Kindern gleich. In der zweiten Ordnung erben die Vorfahren und die Geschwister des Erblassers den Nachlass je zur Hälfte (Art. 414 ZGB).
Rz. 12
Adoptivkinder erlangen nach Art. 173 ZGB im Verhältnis zu den Adoptierenden und deren Verwandten die rechtliche Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes der Ehegatten in persönlichen sowie vermögensrechtlichen Beziehungen und stehen somit auch in erbrechtlicher Hinsicht leiblichen Abkömmlingen gleich.
IV. Erbrecht des Staates
Rz. 13
Nach Art. 416 ZGB fällt ein Erbvermögen an den Staat, wenn der Erblasser nach seinem Tode keine Erben hinterlässt, sich Erben nicht innerhalb der gesetzlichen Frist zur Annahme der Erbschaft erklären oder ihr Anrecht auf die Erbschaft nicht bewiesen haben. Gleiches gilt für Vermögen, das von juristischen Personen, ausgenommen Erwerbsgesellschaften, nach ihrer Auflösung hinterlassen worden ist, sofern nicht ein Stiftungsakt oder die Satzung der Gesellschaft etwas anderes bestimmt. Für Schulden eines Erblassers oder einer juristischen Person haftet der Staat allerdings nur mit dem Vermögen, welches er durch den Anfall des Nachlassvermögens wirklich erwirbt. Damit wird eine Haftung des Staatsvermögens zugunsten von Gläubigern des Erblassers ausgeschlossen bzw. auf den realen Wert des Nachlasses beschränkt.