Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
Rz. 157
Aus § 106 GewO ergibt sich grundsätzlich ein bundesweites Versetzungsrecht des Arbeitgebers. Eine nach wie vor weit verbreitete Auffassung in der Literatur geht dagegen von einer Beschränkung des Versetzungsrechts auf den Einstellungsbetrieb aus. Für die Versetzung an einen anderen Arbeitsort wäre dann eine ausdrückliche Vereinbarung erforderlich. In jüngerer Zeit hat der 6. Senat des BAG zudem ausdrücklich offengelassen, ob an der bisherigen Rechtsprechung festgehalten wird, wonach bei fehlender Konkretisierung des Arbeitsortes ohne Versetzungsklausel eine örtliche Versetzung in den Grenzen des Direktionsrechts zulässig ist. Aus diesen Gründen ist derzeit vorsichtshalber zur ausdrücklichen Vereinbarung eines örtlichen Versetzungsrechts zu raten.
Rz. 158
Eine Klausel, die dem Arbeitgeber das Recht einräumt, den Arbeitnehmer an einen anderen Arbeitsort zu versetzen, unterliegt einer Angemessenheitskontrolle nur dann, wenn der Arbeitsort vertraglich festgelegt ist. Ist ein bestimmter Arbeitsort nicht fixiert, findet eine Angemessenheitskontrolle des Versetzungsvorbehalts nicht statt, sofern dieser das gemäß § 106 GewO bestehende Versetzungsrecht nicht erweitert. Ob durch die vertragliche Nennung eines Arbeitsortes die Leistungspflicht des Arbeitnehmers auf diesen konkretisiert wird oder nicht, ist aufgrund einer Auslegung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Dabei spricht bereits die Kombination eines bestimmten Arbeitsorts mit einem Versetzungsvorbehalt regelmäßig gegen eine vertragliche Festlegung, ebenso die Aufzählung alternativer Tätigkeitsinhalte oder -orte. Im Ergebnis unterliegen örtliche Versetzungsklauseln daher auch bei vertraglicher Nennung des Arbeitsortes regelmäßig keiner Angemessenheitskontrolle.
Rz. 159
Es ist nach Auffassung des BAG nicht zwingend notwendig, Ankündigungsfristen oder den zulässigen Entfernungsradius in örtliche Versetzungsklauseln aufzunehmen. § 106 GewO sowie entsprechende Versetzungsklauseln tragen dem im Arbeitsrecht bestehenden spezifischen Anpassungs- und Flexibilisierungsbedürfnis Rechnung. Festlegungen durch Vorgaben hinsichtlich der Regionen, des Entfernungsradius und der Mindestkündigungsfristen, um dem Arbeitnehmer Klarheit zu verschaffen, innerhalb welcher Grenzen und Fristen der Arbeitgeber von seiner örtlichen Versetzungsbefugnis Gebrauch machen will, sind nicht erforderlich.
Rz. 160
Die Wirksamkeit eines Vorbehalts, einen Arbeitnehmer ohne sein Einverständnis auch im Ausland einzusetzen, ist umstritten. Ein solcher Vorbehalt wird in der Regel zulässig sein, wenn der Auslandseinsatz vorhersehbar oder sogar prägend für das Arbeitsverhältnis ist. Es empfiehlt sich deshalb, den absehbaren Rahmen für eine Verwendung im Ausland bereits in der Versetzungsklausel zu umreißen.
Rz. 161
Dass ein Arbeitnehmer sich im Laufe der Zeit bezüglich der Gestaltung seines persönlichen Umfeldes an der ausgeübten Tätigkeit und insbesondere am Ort seiner Arbeitsleistung ausrichtet, ist nur eine Folge der langjährigen Tätigkeit und begründet, ohne dass weitere Umstände hinzutreten, keine Konkretisierung auf einen bestimmten Arbeitsort. Auch aus dem Umstand, dass der Arbeitgeber auf sein Recht, den Arbeitnehmer örtlich zu versetzen, über einen längeren Zeitraum nicht hinweist, darf der Arbeitnehmer nicht den Schluss ziehen, der Arbeitgeber werde von seinem Recht keinen Gebrauch mehr machen.
Rz. 162
Die tatsächliche Entfernung zwischen altem und neuem Arbeitsort ist allerdings als Faktor im Rahmen der nach § 106 GewO erforderlichen Ermessensausübung zu berücksichtigen. Danach kann im Einzelfall eine Versetzung an einen weit entfernten Arbeitsort unbillig und damit unzulässig sein.