Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
Rz. 780
Formularmäßige Sicherungszweckerklärungen, die den Haftungsumfang auf alle bestehenden und bzw. oder künftige Forderungen erstrecken, sind nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des BGH überraschend i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB. Seit einer Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1994 ist eine formularmäßige Sicherungszweckerklärung über den Anlass der Verbindlichkeit hinaus grundsätzlich unwirksam (sog. Anlassrechtsprechung). Dies gilt unabhängig davon, ob dem Bestimmtheitserfordernis ausreichend Rechnung getragen wurde. Mit einer Klausel, die seine Haftung auf Verbindlichkeiten erstreckt, die ihm nicht bekannt oder noch nicht entstanden sind, braucht der Bürge nicht zu rechnen.
Rz. 781
Für eine Höchstbetragsbürgschaft, mit der der Bürge seine Haftung auf den in der Bürgschaftsurkunde genannten Betrag beschränkt, gilt dies entsprechend. Durch die Vereinbarung eines Höchstbetrags will der Bürge sein Risiko reduzieren und nicht erweitern. Sie schützt den Bürgen davor, wegen einer Forderung in Anspruch genommen zu werden, die er gar nicht kennt, sodass er nicht weniger schutzwürdig ist als bei einer betragsmäßig unbegrenzten Bürgschaft.
Rz. 782
Der überraschende Charakter einer Bestimmung entfällt nach Auffassung des V. Zivilsenats des BGH, wenn sie inhaltlich so klar und verständlich formuliert und drucktechnisch derart hervorgehoben wurde, dass von ihr Kenntnis genommen werden kann. Nur für die weite Sicherungszweckabrede soll dies nicht gelten. Allein durch ein drucktechnisches Hervorheben kann der im Übrigen ungewöhnliche Charakter einer Klausel aber nicht geheilt werden, wenn eine Bestimmung in Formularverträgen eine weitreichende Änderung des aufgrund der konkreten Umstände des Vertragsschlusses erwarteten Vertragsinhalts bewirkt. Hierfür spricht auch die einleitende Formulierung "insbesondere" in § 305c Abs. 1 BGB. Das äußere Erscheinungsbild einer inhaltlich überraschenden Klausel kann schließlich nicht zum Vorteil des Verwenders gereichen. Dass sich weite Sicherungszweckerklärungen seit Jahrzehnten in zahlreichen Bürgschaftsverträgen finden, rechtfertigt keine andere rechtliche Beurteilung. Die Üblichkeit einer Klausel kann ihre Unwirksamkeit nicht heilen. Unter Zugrundelegung des bei § 305c Abs. 1 BGB maßgeblichen subjektiven Prüfungsmaßstabs kann nur die tatsächliche Kenntnis des Bürgen über Bedeutung und Reichweite einer Klausel ihren Überraschungscharakter beseitigen.
Rz. 783
Dagegen entfällt der Überraschungscharakter, wenn der Bürge mit einer Haftung für Verbindlichkeiten rechnet, die über den Anlass der Bürgschaft hinausgehen, mit der Folge, dass dann ausnahmsweise eine weite Sicherungszweckerklärung wirksam ist. Dasselbe gilt für den Fall, dass der Bürge sich überhaupt keine Vorstellungen über eine bestimmte Verbindlichkeit bei Übernahme der Bürgschaft gemacht hat. Ein individueller Hinweis auf den Haftungsumfang kann den Überraschungscharakter einer formularmäßigen Haftungserweiterung in einem Bürgschaftsvertrag aufheben. Die Beweislast hierfür trägt der Verwender der Klausel.
Rz. 784
Nicht zu beanstanden ist nach der Rechtsprechung eine Sicherungszweckerklärung, die die Haftung neben vertraglichen Ansprüchen auf bereicherungsrechtliche Ansprüche des Gläubigers gegen den Hauptschuldner erstreckt, da der Bürge, der sich für eine Darlehensvaluta verbürgt, damit rechnen muss, dass er auch bei Nichtigkeit des Vertrags haftet. Problematisch ist dies aber dann, wenn entweder der Bürge nicht damit gerechnet hat, dass der Darlehensvertrag nichtig sein könnte oder wenn die Nichtigkeit des Darlehensvertrags gerade durch den Bürgenschutz begründet ist. Ob Bereicherungsansprüche von der Bürgenhaftung erfasst sind, ist daher richtigerweise im Einzelfall anhand des Parteiwillens im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu ermitteln.