Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
Rz. 86
Stellen Sonderzahlungen keine Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistung dar, können Bindungsklauseln grundsätzlich zulässig sein. Zwar beeinträchtigen sie auch in diesem Fall die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers. Diese Beeinträchtigung wiegt allerdings weniger schwer als bei einem Eingriff in das vertragliche Synallagma. Daher kann die Auszahlung an die Voraussetzung geknüpft werden, dass das Arbeitsverhältnis zum Auszahlungszeitpunkt noch besteht. In welchem Maße eine weitergehende Bindungsdauer zulässig ist, hängt von den Umständen im Einzelfall ab, insbesondere von der Höhe der Sonderzahlung (vgl. Rdn 88). Macht die Sonderzahlung einen wesentlichen Anteil der Gesamtvergütung des Arbeitnehmers aus, handelt es sich ohnehin nach der Rechtsprechung des BAG um eine Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistung und nicht mehr um eine Zahlung mit Gratifikationscharakter.
Rz. 87
Endet das Arbeitsverhältnis vor dem Stichtag, so besteht, wenn nicht etwas anderes vereinbart ist oder eine entgegenstehende betriebliche Übung existiert, kein Anspruch auf anteilige Auszahlung.
Eine Sonderzahlung ohne Vergütungscharakter kann vom Bestehen des Arbeitsverhältnisses in ungekündigtem Zustand am Stichtag jedenfalls dann abhängig gemacht werden, wenn sie auch im Hinblick auf die zukünftige Betriebstreue geleistet werden soll, was regelmäßig unterstellt werden kann. Der Arbeitnehmer wird in diesem Fall grundsätzlich nicht unangemessen dadurch benachteiligt, dass die Klausel nicht danach differenziert, ob er selbst oder der Arbeitgeber die Kündigung ausgesprochen hat bzw. in wessen Verantwortungsbereich der Grund für die Kündigung fällt. Die Sonderzahlung kann eine motivierende Wirkung nur bei Arbeitnehmern entfalten, die dem Betrieb noch einige Zeit angehören. Diese Wirkung wird aber nach Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung durch den Arbeitgeber in gleicher Weise verfehlt wie bei einer vom Arbeitnehmer veranlassten Kündigung. Allerdings kann nur eine wirksame Kündigung zum Anspruchsausschluss führen. Zu beachten ist, dass die Anknüpfung an das ungekündigte Arbeitsverhältnis zwangsläufig eine Verlängerung der Bindungsdauer bewirkt, weil sich an den Stichtag noch die jeweilige Kündigungsfrist anschließt (vgl. Rdn 85).
Rz. 88
Die Frage der zulässigen Bindungsdauer wird auch relevant, wenn der Arbeitnehmer nach Auszahlung der Sonderzahlung zur Rückzahlung verpflichtet sein soll, wenn das Arbeitsverhältnis binnen einer bestimmten Frist gekündigt oder anderweitig beendet wird. Nach den vom BAG entwickelten Grundsätzen hängt die Dauer einer zulässigen Bindung über den Auszahlungszeitpunkt hinaus regelmäßig von der Höhe der Sonderzahlung ab. Eine am Jahresende gezahlte Zuwendung, die über 100 EUR, aber unter einem Monatsbezug liegt, kann den Arbeitnehmer bis zum 31. März des Folgejahres binden. Nur wenn die Zuwendung einen Monatsbezug erreicht, ist eine Bindung des Arbeitnehmers über diesen Termin hinaus zulässig. Eine Stichtagsregelung, die unabhängig von der Höhe der Leistung den Arbeitnehmer bis zum 30. September des Folgejahres bindet, ist zu weit gefasst und deshalb unwirksam. Die Überschreitung dieser von der Rechtsprechung entwickelten Grenzwerte indiziert eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB und führt damit zum Wegfall der Bindungsklausel.
Rz. 89
Bei der Angemessenheit einer Bindungsklausel ist außerdem die Höhe der Sonderzahlung im Verhältnis zur Gesamtvergütung zu beachten. Übersteigt die Sonderzahlung 25 % der Gesamtvergütung, so würde eine Verknüpfung der Zahlung mit einer Bindungsklausel den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen, so das BAG unter Verweis auf seine zum Widerrufsvorbehalt entwickelten Grundsätze. Zulässig wäre allerdings, die Bindung auf einen Teilbetrag zu beschränken, der 25 % der Gesamtvergütung nicht übersteigt.