Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
Rz. 189
Eine ähnliche Interessenlage liegt bei Vereinbarungen über fingierte Erklärungen vor. Tritt ein bestimmtes Ereignis ein, auf das der Arbeitnehmer nicht reagiert, soll nach diesen Klauseln eine bestimmte Rechtsfolge trotz des Schweigens des Arbeitnehmers eintreten. Bekanntester Anwendungsfall ist die bis vor einiger Zeit vom BAG noch anerkannte sog. gegenläufige betriebliche Übung. Bislang konnte ein Arbeitgeber Ansprüche der Arbeitnehmer, die allein auf betrieblicher Übung beruhten, durch eine dreijährige gegenläufige Übung wieder beseitigen. Bestand beispielsweise ein Anspruch auf ein 13. Monatsgehalt aufgrund einer betrieblichen Übung, so entfiel dieser Anspruch wieder, wenn der Arbeitgeber die Leistung drei Jahre hintereinander unter einem ausdrücklichen Freiwilligkeitsvorbehalt auszahlte und die Arbeitnehmer dabei auf die Absicht hinwies, die bisherige betriebliche Übung zu beenden, die Arbeitnehmer dieser Absicht aber nicht ausdrücklich widersprachen.
Rz. 190
Aufgrund der Anwendung der §§ 305 ff. BGB im Arbeitsrecht hat das BAG seine ständige Rechtsprechung zur sog. gegenläufigen betrieblichen Übung aufgegeben. Der Beseitigung von Ansprüchen durch eine gegenläufige betriebliche Übung steht das Verbot fingierter Erklärungen in § 308 Nr. 5 BGB entgegen. Von dem als wesentliches Prinzip des Privatrechts anzusehenden Grundsatz, dass Schweigen in der Regel keine Willenserklärung ist, kann durch Allgemeine Geschäftsbedingungen nur in engen Grenzen abgewichen werden. § 308 Nr. 5 BGB verbietet den Arbeitsvertragsparteien zwar nicht, zu vereinbaren, dass das Schweigen des Arbeitnehmers zu einem Angebot des Arbeitgebers als Annahmeerklärung anzusehen ist. Die Vorschrift untersagt fingierte Erklärungen jedoch für den Fall, dass die drohende Fiktionswirkung dem Arbeitnehmer nicht hinreichend bewusst gemacht und ihm keine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt wird.
Rz. 191
Soll eine an ein Schweigen geknüpfte Fiktionswirkung eintreten, muss der Arbeitgeber sich deshalb verpflichtet haben, den Arbeitnehmer bei Beginn der Frist auf die Bedeutung seines Schweigens besonders hinzuweisen. Schließlich muss dieser Hinweis auch tatsächlich und in einer Form erfolgen, die unter normalen Umständen die Kenntnisnahme verbürgt. Gibt der Arbeitgeber zwar tatsächlich den Hinweis, hat er sich aber dazu vertraglich nicht verpflichtet, tritt die Erklärungsfiktion nicht ein. Der vom BAG abgesteckte Rahmen schließt damit zwar eine gegenläufige betriebliche Übung aus. Gleichzeitig gibt das BAG aber die Voraussetzungen vor, unter denen ein Schweigen des Arbeitnehmers als Reaktion auf eine Erklärung des Arbeitgebers mit einer bestimmten Rechtsfolge verbunden werden kann.