Rz. 73

Nur die Gesamtheit der Regelungen eines Tarifvertrags begründet grundsätzlich die Vermutung, dass die divergierenden Interessen der Arbeitsvertragsparteien angemessen ausgeglichen werden. Beschränkt sich die Inbezugnahme auf einzelne Vorschriften eines Tarifvertrags (Einzelverweis), entfällt deshalb die durch § 310 Abs. 4 S. 1 BGB erzeugte Privilegierung.[171] Die in Bezug genommenen Klauseln werden dann der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterzogen.

 

Rz. 74

Ob dies auch gilt, wenn die tarifvertragliche Regelung abgrenzbare Sachbereiche vollständig übernommen hat (Teilverweis), ist umstritten.[172] Das BAG hat hierzu noch nicht abschließend entschieden, aber auf ein Urteil des BGH hingewiesen, in dem dieser grundsätzlich in jeder inhaltlichen Abweichung von der VOB/B einen Eingriff in deren Ausgewogenheit und damit eine Störung des von ihr beabsichtigten Interessenausgleichs sieht.[173] Ebenso zu beurteilen ist der gezielte Ausschluss der Anwendung einzelner Tarifverträge aus der Gesamtheit von Tarifwerken einer Branche.[174]

[172] Für die Kontrollunterworfenheit SSN/Niemann, Rn 198 ff.; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rn 18 f.; DBD/Däubler, § 310 Rn 52; Lakies, Kap. 1 Rn 215 f.; Thüsing, AGB-ArbR, Rn 189; eine Angemessenheitsvermutung unter bestimmten Voraussetzungen erwägend Henssler/Moll, S. 6; Bayreuther, RdA 2003, 81, 91; Gaul, ZfA 2003, 75, 88 f.; HWK/Henssler, § 1 TVG Rn 90; MüKo/Müller-Glöge, § 611 BGB Rn 70; für die Kontrollfreiheit Schaub/Linck, § 35 Rn 21a.
[174] Vgl. BAG, Urt. v. 9.5.2007 – 4 AZR 319/06, DB 2008, 874, zu einer Klausel, die eine Anwendung der einschlägigen Tarifverträge mit Ausnahme des Urlaubsgeldtarifvertrags vorsah.

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