Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
A. Grundsätzliches zum Leistungsbestimmungsrecht (§ 315 BGB)
Rz. 1348
Einseitige Leistungsbestimmungsrechte sind häufig eingesetzte Instrumentarien, die in der Regel dazu dienen, einen Vertrag (nachträglich) praktischen Erfordernissen anzupassen. Neben Inhalt und Umfang der Leistung sind auch Regelungen an der Tagesordnung, die einer Partei erlauben, z.B. den Leistungsinhalt, den Leistungsort oder die Leistungszeit einseitig festzusetzen. Insbesondere bei Waren, die nur eingeschränkt lieferbar oder tagesaktuellen Preisentwicklungen unterworfen sind, dienen solche Leistungsbestimmungsrechte dazu, die sich aus diesen Schwankungen ergebende Bedürfnisse nach Flexibilität – trotz Abschluss eines bindenden Vertrags – zu erhalten. Trotz eines in diesen Fällen vorliegenden berechtigten Interesses an Flexibilität müssen in AGB dennoch stets Leistung und Gegenleistung ausreichend "bestimmt oder wenigstens bestimmbar" sein. Es ist unzulässig, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerung hinaus den zunächst vereinbarten Preis ohne jede Begrenzung anheben zu können und hierdurch einen zusätzlichen Gewinn erzielen zu können.
Rz. 1349
Dass die Vereinbarung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte grundsätzlich zulässig ist, zeigt bereits ein Blick in § 315 BGB. Dieser regelt, dass die einseitige Bestimmung der Leistung durch eine Partei – unter Einschränkung durch das Kriterium des "billigen Ermessens" – zulässig ist. So hat der BGH die Klausel "X prüft nach Ablauf von jeweils drei Jahren, ob das Nutzungsentgelt noch ortsüblich oder sonst angemessen ist. Bei Änderung setzt er den zusätzlich oder weniger zu zahlenden Betrag nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) fest." für wirksam erachtet, da durch den Bezug auf die Ortsüblichkeit und auf § 315 BGB ein ausreichend konkreter Anknüpfungspunkt angegeben sei. Unzulässig sind allerdings z.B. die folgenden Klauseln: "Der Verwender ist berechtigt, den Preis zu ändern, wenn Preisänderungen durch die Vorlieferanten erfolgen. Änderungen des Preises werden dem Kunden mitgeteilt."; "Der Verwender behält sich das Recht vor, den Inhalt dieser AGB oder der jeweiligen Leistungsbeschreibungen/Preislisten und sonstige Sondervereinbarungen anzupassen, soweit dies dem Kunden zumutbar ist."
Rz. 1350
Sollen einseitige Leistungsbestimmungsrechte in AGB vereinbart werden, unterfallen diese Regelungen zusätzlich der Inhaltskontrolle der §§ 307 ff. BGB. Für die Ausübungskontrolle bleibt § 315 BGB anwendbar.
Das bedeutet, dass die tatsächliche Ausübung des Rechts zur Bestimmung der Leistung durch eine Partei nach § 315 Abs. 3 BGB nur dann für die andere Partei bindend ist, wenn sie der Billigkeit entspricht, d.h. den Interessen beider Parteien gerecht wird und sich an dem orientiert, was in vergleichbaren Verträgen "üblich" ist. Entspricht eine einseitig vorgenommene Bestimmung des Leistungsgegenstands nicht der Billigkeit oder wird die Vornahme der (Leistungs-)Bestimmung verzögert, so wird das Bestimmungsrecht gemäß § 315 Abs. 3 S. 2 BGB durch das zuständige Gericht ersetzt.
In der Praxis wird bei der Vereinbarung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte folglich eine zweistufige Prüfung vorgenommen. Während zunächst die Klausel abstrakt der Inhaltskontrolle der § 307 ff. BGB unterworfen wird (siehe Rdn 1351 ff.), erfolgt eine zusätzliche konkrete Billigkeitskontrolle bei Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts anhand von § 315 BGB.
B. Einschränkungen von einseitigen Leistungsbestimmungsklauseln durch den BGH anhand von § 307 Abs. 1 BGB
Rz. 1351
Der BGH hat in diversen Urteilen grundsätzliche Kriterien festgelegt, anhand derer eine allgemeine Inhaltskontrolle von Leistungsbestimmungsrechten in AGB zu erfolgen hat. Dabei ist stets zu beachten, dass die Vereinbarung solcher einseitiger Rechte nur dann in AGB erfolgen kann, wenn die Partei, der ein solches Bestimmungsrecht zukommen soll, ein berechtigtes Interesse hat, die Leistung einseitig zu bestimmen und zusätzlich der Anlass, die Voraussetzungen und der Inhalt des Leistungsbestimmungsrechts bereits konkret in den AGB dargelegt werden.
Rz. 1352
Als Maßstab ist grundsätzlich zu beachten, dass auch bei einseitigen Anpassungs-, Änderungs- oder Bestimmungsklauseln das vertragliche Äquivalenzverhältnis (soweit möglich) gewahrt werden muss und dem Verwender nicht die Möglichkeit gegeben werden darf, z.B. über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus, einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen.
Es besteht also in der Regel, z.B. bei Preisanpassungsklauseln, das Interesse des Verwenders, das Risiko zu minimieren, dass durch eine Erhöhung der Kosten während der Laufzeit des Vertrags das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung aufgehoben oder verschoben wird und es dadurch zu Gewinneinbußen des Verwenders kommt. A...