Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
Rz. 618
Bei formularmäßigen Festlegungen ist wegen §§ 310 Abs. 1, 14 Abs. 1 BGB § 307 BGB Prüfungsmaßstab. Zu betrachten ist die Laufzeit der Getränkebezugsverpflichtung einschließlich etwaiger verlängernder Nachträge sowie etwaiger zurechenbarer Anschlussbindungen.
a) Beurteilungsgrundsätze
Rz. 619
Ob eine die Laufzeit eines Vertrages betreffende Klausel den Vertragspartner des Verwenders in diesem Sinne entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, ist mit Hilfe einer umfassenden Abwägung der schützenswürdigen Interessen beider Parteien im Einzelfall festzustellen. Es bedarf einer Würdigung des Einzelfalls nach Inhalt, Motiv und Zweck des Vertrages sowie den Umständen seines Zustandekommens. Abzustellen ist auf die konkrete Ausgestaltung des Vertrages in seinen einzelnen Bestimmungen und insbesondere darauf, welcher Spielraum dem Gastwirt zur selbstständigen und flexiblen Unternehmensführung verbleibt.
Rz. 620
Im Rahmen der Abwägung sind der Zweck und der Gesamtcharakter des jeweiligen Vertrages zu berücksichtigen. Bei dieser Abwägung sind nicht nur die auf Seiten des Verwenders getätigten Investitionen, sondern der gesamte Vertragsinhalt zu berücksichtigen. Notwendig ist eine Gegenüberstellung der insgesamt begründeten gegenseitigen Rechte und Pflichten. Zu betrachten ist die Laufzeit der Getränkebezugsverpflichtung einschließlich etwaiger verlängernder Nachträge sowie etwaiger zurechenbarer Anschlussbindungen. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist der Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts.
b) Beurteilungskriterien
Rz. 621
Zunächst ist der Umstand von Bedeutung, dass die Finanzierung des Gastwirts häufig dem Aufbau und der Fortführung der Gastwirtschaft dient. Es liegt dabei in der Natur der Sache und entspricht den legitimen Interessen der Getränkelieferanten an der Möglichkeit eines wirksamen Durchgreifens bei Leistungsstörungen – insbesondere in Zeiten einer stärkeren Fluktuation im Gaststättengewerbe –, dass der Anfänger, dessen Leistungsfähigkeit und Vertragstreue dem Getränkelieferant noch nicht bekannt sind, u.U. mehr an Bindungen hinnehmen muss als ein bereits etablierter Gastwirt. Dann sind im Regelfall engere Bindungen des Gastwirts an den Getränkelieferanten gerechtfertigt. Es entspricht nicht nur praktischer Erfahrung, sondern auch richterlicher Einschätzung, dass eine große Mehrzahl der Gastwirtsdarlehen von Personen nachgefragt wird, denen es an der Kreditwürdigkeit fehlt. Die Dauer der zulässigen Bezugsbindung hängt wesentlich von dem sachlichen Umfang der Bindung ab.
Rz. 622
Die Vereinbarung einer Mindestabnahmeverpflichtung stößt grundsätzlich auf keine Bedenken. Im Rahmen der Prüfung einer Laufzeitklausel stellt die vereinbarte Mindestabnahmepflicht von 4 000 hl und die Festsetzung der Abnahmepreise durch die Brauerei keine unzumutbare Benachteiligung des Gastwirts dar. Dies jedenfalls dann, wenn der Gastwirt zuvor bereits eine andere Gaststätte betrieben hatte, auf die im Vertrag ausdrücklich Bezug genommen worden war. Deshalb konnte davon ausgegangen werden, dass er die Absatzmöglichkeiten für die Gaststätte beurteilen konnte und sich nur auf einen erzielbaren Absatz eingelassen hatte.
Rz. 623
Bei der Interessenabwägung ist auf Seiten des Getränkelieferanten insbesondere das Maß der Investitionen zu betrachten. Von besonderer, allerdings nicht allein maßgeblicher Bedeutung sind die finanziellen oder auch sonstigen geldwerten Leistungen, die der Ausschließlichkeitsbindung gegenüberstehen.