Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
Rz. 78
Betriebsvereinbarungen gelten nach § 77 Abs. 4 S. 1 BetrVG unmittelbar und zwingend für die Arbeitsverhältnisse der vom Betriebsrat vertretenen Arbeitnehmer. Diese Regelung wird durch das Günstigkeitsprinzip ergänzt, d.h. günstigere einzelvertragliche Vereinbarungen gehen den belastenden Regelungen einer Betriebsvereinbarung vor. Die arbeitsvertragliche Inbezugnahme von Betriebsvereinbarungen hat daher regelmäßig nur deklaratorische Bedeutung. Allerdings kann eine Bezugnahme auf Betriebsvereinbarungen in Form einer kollektiven Öffnungsklausel vereinbart werden, kraft derer die in Bezug genommene Betriebsvereinbarung auch dann Anwendung findet, wenn sie im Vergleich zur vertraglichen Regelung für den Arbeitnehmer ungünstiger ist. Die Betriebsvereinbarungsoffenheit individualvertraglicher Vereinbarungen kann auch konkludent vereinbart werden. Der 1. Senat des BAG geht mittlerweile davon aus, dass eine konkludente Betriebsvereinbarungsoffenheit arbeitsvertraglicher Regelungen anzunehmen ist, wenn der Vertragsgegenstand in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten ist und einen kollektiven Bezug hat. Ein kollektiver Bezug liegt schon deshalb in aller Regel vor, weil Allgemeine Geschäftsbedingungen auf eine Vereinheitlichung der Regelungsgegenstände gerichtet sind. Demnach interpretiert der 1. Senat formularvertragliche Regelungen nach derzeitiger Rechtsprechung als regelmäßig betriebsvereinbarungsoffen. Dabei lässt er die Unklarheitenregel gemäß § 305c Abs. 2 BGB mangels erheblicher Zweifel am Auslegungsergebnis nicht zum Zuge kommen. Ist eine Betriebsvereinbarungsoffenheit einzelner oder aller Vertragsgegenstände nicht gewünscht, sollte dies daher ausdrücklich arbeitsvertraglich geregelt werden.
Rz. 79
Auch die Inbezugnahme von betrieblich oder persönlich nicht einschlägigen Betriebsvereinbarungen wird teilweise für möglich gehalten. Eine solche Bezugnahmeklausel kann jedoch überraschend sein.
Rz. 80
In Bezug genommene Betriebsvereinbarungen können das Kontrollprivileg gemäß § 310 Abs. 4 S. 1 und 3 BGB für sich in Anspruch nehmen. Das gilt auch, wenn sie zu einer Verschlechterung der bisher geltenden vertraglichen Regelung führen. Regelungen aus nicht einschlägigen Betriebsvereinbarungen unterliegen allerdings der AGB-Kontrolle, weil insoweit die Angemessenheitsvermutung nicht gilt. Das Kontrollprivileg kann auch entfallen, wenn die Betriebsvereinbarung nicht insgesamt, sondern nur teilweise in Bezug genommen wird; vgl. insoweit die Ausführungen zur teilweisen Inbezugnahme von Tarifregelungen (siehe Rdn 73 f.).