Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
A. Einführung
Rz. 2113
Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11.4.1980, kurz auch als UN-Kaufrecht bzw. als CISG (United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods) bezeichnet, ist ein internationales Übereinkommen zwischen mittlerweile 86 Vertragsstaaten. In Deutschland ist das UN-Kaufrecht am 1.1.1991 in Kraft getreten. Das CISG ist Bestandteil des deutschen Rechts und Spezialgesetz für den internationalen Warenkauf; es geht dem unvereinheitlichten deutschen Kaufrecht vor.
Rz. 2114
Das UN-Kaufrecht hat gerade für den Außenhandel der Bundesrepublik Deutschland einen überragenden Stellenwert und stellt die international bedeutendste Konvention auf dem Gebiet der Vereinheitlichung des Privatrechts dar. Praktisch alle Exportverträge und die weit überwiegende Zahl der Importverträge beurteilen sich aus deutscher Sicht primär nach dem UN-Kaufrecht. Über 75 % des internationalen Handels erfolgen mit Vertragsstaaten. Aufgrund seiner klaren, verständlichen, widerspruchsfreien und rechtspolitisch einleuchtenden Regeln war das UN-Kaufrecht darüber hinaus in zahlreichen Regelungsbereichen Vorbild für die deutsche Schuldrechtsreform.
Rz. 2115
Innerhalb seines Anwendungs- und Geltungsbereichs verdrängt das UN-Kaufrecht das unvereinheitlichte nationale Recht (aus deutscher Sicht BGB/HGB). Dies gilt auch für zeitlich nachfolgendes und zwingendes unvereinheitlichtes Recht. In der Gesamtbetrachtung eröffnet das UN-Kaufrecht – nicht zuletzt aufgrund seiner Flexibilität (Art. 6 CISG) – gegenüber dem BGB/HGB erheblich erweiterte Spielräume für die Vertragsgestaltung.Gleichwohl wird das UN-Kaufrecht in der Praxis häufig reflexartig und formularmäßig ausgeschlossen. Eine kritische, einzelfallbezogene Auseinandersetzung der Vor- und Nachteile gegenüber dem nationalen Recht findet nicht statt. Dies mag damit zu tun haben, dass sich weder Unternehmer noch deren anwaltliche Berater mit den Besonderheiten des UN-Kaufrechts auseinandersetzen wollen und stattdessen – getreu dem Motto "the devil you know is better than the devil you do not know" – auf die ihnen vertrauter scheinenden Regeln des BGB und HGB zurückgreifen.
B. Anwendungsbereich
I. Sachlicher Anwendungsbereich
Rz. 2116
Das UN-Kaufrecht ist gemäß Art. 1 Abs. 1 CISG auf Kaufverträge über bewegliche Sachen anwendbar. Eine Ausnahme besteht bei Sachen, die für den persönlichen Gebrauch bestimmt sind, wobei es auf die Kenntnis des Verkäufers ankommt (Art. 2 lit. a CISG). Auf die Bezeichnung des Vertrages kommt es hingegen nicht an, sodass z.B. auch die Rückkaufsvereinbarung aus einem Leasingvertrag kaufvertragstypisch sein kann und dann dem UN-Kaufrecht unterliegt. Nach Art. 3 Abs. 1 CISG stehen Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Ware den Kaufverträgen gleich, es sei denn, der Besteller hat einen wesentlichen Teil der für die Herstellung oder Erzeugung notwendigen Stoffe selbst zur Verfügung zu stellen. Verträge, bei denen der überwiegende Teil der Pflichten der Partei, welche die Ware liefert, in der Ausführung von Arbeiten oder anderen Dienstleistungen besteht, sind ebenfalls nicht vom UN-Kaufrecht erfasst, Art. 3 Abs. 2 CISG. Ob und inwieweit sich bei Eröffnung des Anwendungsbereichs des UN-Kaufrechts dieser auf die in einem Vertrag enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung erstreckt, wird uneinheitlich beurteilt. Nach überwiegender Ansicht ist das CISG unter Berücksichtigung prozessualer Sondervorschriften des Forumstaates, z.B. Art. 25 EuGVVO, anwendbar.