Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
I. Entstehen eines Eigentumsvorbehalts
Rz. 847
Der Eigentumsvorbehalt ist im kaufmännischen und nichtkaufmännischen Geschäftsverkehr ein übliches Mittel zur Sicherung der Lieferung, wenn der Verkäufer in Vorleistung tritt. Die Vereinbarung ist in der Regel schuldrechtlicher Natur. Der Lieferant behält sich das Eigentum an den Waren bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises vor (§ 449 BGB). Im Geschäftsverkehr sind neben dem gesetzlich geregelten Fall des einfachen Eigentumsvorbehalts diverse Verlängerungs- und Erweiterungsformen üblich.
Rz. 848
Fehlt eine (wirksame) schuldrechtliche Vereinbarung – sei es, weil der Lieferant keine Eigentumsvorbehaltsklausel in seinen AGB verwendet, sei es, weil eine entsprechende Regelung aufgrund kollidierender AGB nicht vereinbart wurde – kann sich der einfache Eigentumsvorbehalt auch durch einseitige Erklärung des Lieferanten auf sachenrechtlicher Ebene ergeben. Zwar hat der Käufer bei fehlender vertraglicher Grundlage einen Anspruch auf unbedingte Eigentumsverschaffung, die Erfüllung dieses Anspruchs hängt aber von der dinglichen Einigung ab. Fehlt die vertragliche Vereinbarung des Eigentumsvorbehalts, so entsteht dieser dinglich, wenn dem Käufer spätestens im Zeitpunkt der Übergabe der Ware die Erklärung zugeht, dass der Lieferant nur bedingt übereignen möchte. Dies ist auch dann der Fall, wenn der Eigentumsvorbehalt in den AGB des Lieferanten enthalten ist und der Käufer die zumutbare Möglichkeit hatte, hiervon Kenntnis zu nehmen. Gleiches gilt, wenn dem Käufer aufgrund einer dauernden Geschäftsbeziehung bekannt war, dass der Lieferant nur aufschiebend bedingt übereignen möchte. In diesen Fällen findet trotz fehlender vertraglicher Grundlage eine Übereignung nur unter der aufschiebenden Bedingung der Kaufpreiszahlung statt.
Rz. 849
Die Lieferung von Waren unter Eigentumsvorbehalt kann auch einem Handelsbrauch i.S.d. § 346 HGB entsprechen, sodass dann nur eine Pflicht zur bedingten Eigentumsverschaffung besteht. Eine allgemeine Abwehrklausel in den AGB des Käufers ändert hieran nichts, da die "Vereinbarung" des Eigentumsvorbehalts gerade nicht (nur) durch die AGB des Lieferanten geschieht. Schließen die AGB des Käufers den Eigentumsvorbehalt explizit aus, bleibt es bei der Pflicht zur unbedingten Eigentumsübertragung. Eine Vereinbarung des Eigentumsvorbehalts kraft Handelsbrauch dürfte allerdings eher selten anzunehmen sein.
II. Formen des Eigentumsvorbehalts
Rz. 850
Die gebräuchlichste Form ist der einfache Eigentumsvorbehalt, § 449 BGB. Der Verkäufer überträgt dem Käufer das Eigentum an der Ware unter der aufschiebenden Bedingung (§ 158 BGB) der vollständigen Kaufpreiszahlung. Der Käufer erwirbt mit Abschluss des Kaufvertrags ein Anwartschaftsrecht, welches mit vollständiger Zahlung automatisch zum Vollrecht erstarkt.
Rz. 851
Beim erweiterten Eigentumsvorbehalt steht die Eigentumsübertragung unter der Bedingung der vollständigen Zahlung aller dem Verkäufer gegen den Käufer zustehenden offenen Forderungen aus der Geschäftsbeziehung. Die früher verwendete Sonderform des sog. Konzernvorbehalts, nach welchem das Eigentum erst nach Begleichung offener Forderungen Dritter, insbesondere von Konzerngesellschaften des Verkäufers, übergehen sollte, ist mittlerweile gem. § 449 Abs. 3 BGB ausdrücklich unwirksam. Für einen wirksamen erweiterten Eigentumsvorbehalt ist zwingend eine wirksame vertragliche Vereinbarung notwendig. Bei kollidierenden AGB oder einer vom Käufer in seinen AGB verwendeten Abwehrklausel setzt sich daher allenfalls der einfache Eigentumsvorbehalt durch.
Rz. 852
Der verlängerte Eigentumsvorbehalt dient der Sicherung bei Verkauf oder Verarbeitung der Ware. Der Verkäufer lässt sich die Forderungen aus der Weiterveräußerung im Voraus abtreten oder bestimmt, dass anstelle seiner dann verarbeiteten Ware das neue Produkt treten soll. Eine Unterart des verlängerten Eigentumsvorbehalts ist die Verarbeitungsklausel. Für den Fall der Verarbeitung der Ware lässt sich der Verkäufer die Stellung des Herstellers gem. § 950 BGB einräumen und erwirbt so Eigentum bzw. Miteigentum in Höhe des Werts der von ihm gelieferten Ware an der neuen Sache. Auch hier hängt die Wirksamkeit von einer wirksamen vertraglichen Vereinbarung zwischen den Parteien ab.
Rz. 853
Beim weitergeleiteten Eigentumsvorbehalt verpflichtet der Verkäufer den Käufer, die Ware nur unter Eigentumsvorbehalt weiterzuverkaufen bzw. seinen Käufer auf den bestehenden Eigentumsvorbehalt hinzuweisen (und so zumindest einen gutgläubigen Erwerb des Letztkäufers zu verhindern). Auch diese Verpflichtung des Käufers muss vertraglich wirksam vereinbart werden.