Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
Rz. 1942
Das Vertragswerk, das das Verhältnis zwischen Tankstellenbetreiber und Mineralölgesellschaft regelt, wird oftmals als Tankstellenvertrag, Tankstellenverwaltervertrag oder Tankstellenstationärvertrag bezeichnet. Grundsätzlich lassen sich zwei Konstellationen unterscheiden. Zum einen gibt es Tankstellenbetreiber, die selbst Eigentümer der Tankstelle sind oder diese auf Grundlage eines Nutzungsrechts mit einem Dritten betreiben, zum anderen solche, die die gesamte Tankstellenanlage von der Mineralölgesellschaft gepachtet haben. Je nachdem enthält der Tankstellenstationärvertrag auch pachtvertragliche Elemente.
Rz. 1943
Was den Vertrieb von Kraftstoffen betrifft, ist der Tankstellenbetreiber, soweit er selbstständig ist, Handelsvertreter. Entsprechend sind in der jüngeren Vergangenheit die Mehrzahl der Entscheidungen des BGH zu den §§ 84 ff. HGB, insbesondere auch zum Ausgleichsanspruch des Tankstellenbetreibers ergangen. Auch die Vorlagefrage des LG Hamburg, die in Folge der Entscheidung des EuGH zur Änderung des § 89b HGB zum 5.8.2009 geführt hat, betraf einen Tankstellenbetreiber. Entsprechend sind bei der Gestaltung von Tankstellenstationärverträgen, soweit es um den Vertrieb von Kraftstoffen im Namen und auf Rechnung der Mineralölgesellschaft geht, diejenigen Beschränkungen zu berücksichtigen, die sich für sämtliche Handelsvertreterverträge ergeben (vgl. oben Rdn 1081 ff.).
Rz. 1944
Neben dem Vertrieb von Mineralölprodukten ist in den letzten Jahren der Bereich des Shop-Geschäfts bei Tankstellen immer stärker in den Vordergrund gerückt. Hier vertreibt der Tankstellenbetreiber je nach Mineralölgesellschaft Produkte, vornehmlich aus dem Bereich des Lebensmitteleinzelhandels, zumeist im eigenen Namen und auf eigene Rechnung (zu Vertragshändlerverträgen siehe Rdn 2228 ff.; zu Franchise siehe Rdn 887 ff.), teilweise aber auch als Handelsvertreter. Der Umfang der Eingliederung in die Absatzorganisation variiert hier von Mineralölgesellschaft zu Mineralölgesellschaft. Soweit neben dem Shop-Geschäft zusätzlich noch eine Lotto-Annahmestelle betrieben wird, liegt hier wiederum ein Handelsvertretervertrag im Verhältnis zur Lotto-Gesellschaft vor.
Rz. 1945
Am 29.4.2015 haben die Vorsitzenden der Verbände der Tankstellengesellschaften und Tankstellenbetreiber im Bundeswirtschaftsministerium einen Verhaltenskodex für das Tankstellengeschäft unterzeichnet, in dem verbindliche Regeln für eine faire und konstruktive Zusammenarbeit in der deutschen Tankstellenbranche aufgestellt worden sind. Dieser enthält unter anderem die Vorgabe, dass der Tankstellenvertrag in deutscher Sprache schriftlich abzufassen ist und dem Verhaltenskodex entsprechen soll, der verschiedene Vorgaben, etwa zur Transparenz der Boni, der Wettbewerbsfähigkeit empfohlener Lieferanten im Shop-Geschäft und dem Investitionsschutz enthält. Zudem ist vorgegeben, dass die wesentlichen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien in dem Tankstellenvertrag eindeutig festzulegen sind, wozu auch die Festlegung gehört, welche Kosten der Tankstellenbetreiber zu tragen hat. Der Tankstellenvertrag soll nach dem Verhaltenskodex zudem deutschem Recht unterliegen und einen Gerichtsstand in Deutschland vorsehen. Seit 1.5.2016 gibt es zudem eine Schiedsstelle, die von Tankstellenbetreibern und Mineralölgesellschaften angerufen werden kann. Der Verhaltenskodex ist nicht unmittelbar anwendbar, vielmehr sollen die Verbände ihre Mitglieder anhalten, den Empfehlungen des Verhaltenskodex folgen. Dieser selbst unterfällt der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle, wenn er durch die Parteien des Tankstellenstationärvertrags zum Gegenstand des Vertrags gemacht wird oder Regelungen übernommen werden. Allerdings kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass ein Abweichen von Vorgaben, die von beiden Marktseiten im Verhaltenskodex festgelegt und somit wohl als angemessen angesehen wurden, eine unbillige Benachteiligung im Sine des § 307 BGB indiziert.