Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
Rz. 604
Aus Raumgründen können hier nur ausgewählte Aspekte einer Angemessenheitsprüfung angesprochen werden.
I. Inhalt und Umfang der Ausschließlichkeit
1. Grundsatz
Rz. 605
Gegen die Verpflichtung des Gastwirts, die Getränke ausschließlich über den Getränkelieferanten zu beziehen, bestehen grundsätzlich keine Bedenken. Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass im Gaststättengewerbe Getränkelieferungsverträge mit auch langjähriger Bezugsbindung unter Einschluss einer Ausschließlichkeitsvereinbarung bekanntermaßen durchaus nicht unüblich sind. Sie bieten den Getränkelieferanten eine sichere Absatzmöglichkeit mit den sich daraus ergebenden vielfältigen Vorteilen und geben auch dem Abnehmer Sicherheit für den Geschäftsbetrieb und eröffnen ihm die Möglichkeit, bei Vertragsabschluss sonstige erhebliche, anderweitig nicht oder jedenfalls nicht zu diesen Konditionen erhältliche Starthilfen zu erlangen, ohne die eine Aufnahme des Geschäftsbetriebs häufig gar nicht in Betracht kommen würde. Deshalb bestehen gegen solche Vereinbarungen auch grundsätzlich keine Bedenken. Dies gilt auch für die Verpflichtung des Gastwirts, die in der Gaststätte benötigten Getränke beim Verpächter oder bei einem von diesem benannten Dritten zu beziehen. Eine solche Verpflichtung kann wirksam auch mittels Formularvertrags oder AGB übernommen werden.
2. Änderungen der Ausschließlichkeit
Rz. 606
Enthalten Getränkelieferungsverträge Änderungsvorbehalte, so sind diese zunächst über §§ 310 Abs. 1 S. 2, 307 Abs. 2 Nr. 1, 308 Nr. 4 BGB auch im Unternehmerverkehr einer Angemessenheitskontrolle zu unterwerfen. Soweit die Klausel eine Zustimmungsfiktion enthält, bildet auch im Unternehmerverkehr § 308 Nr. 5 BGB über §§ 310 Abs. 1 S. 2, 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB den richtigen Prüfungsmaßstab. Ggf. bedarf es einer Prüfung nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.
3. Periodische Mindestabnahmemenge
a) Individualabrede versus Klausel
Rz. 607
Da Mindestabnahmepflichten regelmäßig individualvertraglich vereinbart werden, kommt § 307 Abs. 1 BGB nur selten zur Anwendung. Zur Abgrenzung kann auf die reichhaltige Rechtsprechung verwiesen werden.
b) Inhaltskontrolle
Rz. 608
Sind Mindestabnahmemengen ausnahmsweise formularmäßig vorgesehen, so ist § 307 BGB zu prüfen. Dann ist zu fragen, ob nicht eine nach § 307 Abs. 3 S. 2 BGB kontrollfreie Vergütungsabrede vorliegt. Insofern dürften verschiedene Sachverhalte zu unterscheiden sein.
Rz. 609
Ist ausnahmsweise eine negative Umsatzpacht vereinbart, dann haben die Parteien die Pflicht zur Abnahme einer bestimmten Getränkemenge als Teil des Pachtvertrages mit der Zahlung des Pachtzinses in der Weise gekoppelt, dass sich bei Abnahme unterhalb einer vertraglich festgesetzten Menge der Pachtzins in Abhängigkeit zur Mindestabnahme erhöht. Dann bestehen weder nach § 138 Abs. 1 BGB noch nach § 307 BGB Bedenken. Eine solche Klausel unterliegt der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB grundsätzlich nur dann, wenn es um die Koppelung von Abnahme und Pachtzins geht. Dagegen ist eine Kontrolle nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB vorbehaltlich des § 307 Abs. 3 S. 2 BGB ausgeschlossen, soweit es um die Höhe des Pachtzinses geht.
Rz. 610
Anders dürfte zu entscheiden sein, wenn die Parteien von vorneherein einen Kaufvertrag geschlossen haben, aus dem sich der Umfang der Abnahmeverpflichtung bereits aus § 433 Abs. 2 BGB ergibt. Die Vereinbarung einer (Gesamt-)Mindestabnahmemenge als solcher ist dann bereits nach § 307 Abs. 3 S. 2 BGB einer AGB-Kontrolle entzogen. Im Übrigen würde es zur Bejahung einer Unangemessenenheit nicht ausreichen, wenn der Getränkelieferant aufgrund seiner Geschäftserfahrung erkannt hat, dass der Kunde die Bezugsverpflichtung nicht erfüllen konnte, weil das Risiko einer entsprechenden Fehleinschätzung in den Risikobereich des Kunden fällt.