Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
Rz. 1029
Die Regelungen zum nationalen Rechtsverkehr greifen in Fällen mit reinem Inlandsbezug ein, etwa wenn zwei Inländer in einem im Inland zu erfüllenden Kaufvertrag eine Gerichtsstandsklausel individualvertraglich oder formularmäßig vereinbaren. Hat bei einem derartigen Vertrag eine Vertragspartei keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland, handelt es sich um einen Fall des internationalen Rechtsverkehrs.
I. Verwendung gegenüber Nichtkaufleuten
Rz. 1030
Vor Entstehung einer Streitigkeit sind Vereinbarungen über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit von Gerichten durch Nichtkaufleute gemäß § 38 Abs. 1 ZPO unzulässig. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Gerichtsstandsvereinbarung individualvertraglich oder formularmäßig getroffen wird. Das Verbot des § 38 Abs. 1 ZPO gilt sowohl für Vereinbarungen über die Begründung einer Gerichtszuständigkeit (Prorogation) als auch für die Beseitigung eines sich aus den gesetzlichen Regelungen ergebenden Gerichtsstands (Derogation).
Rz. 1031
Obwohl sich das Verbot von Gerichtsstandsvereinbarungen schon aus § 38 ZPO ergibt, bleibt die Anwendung der Regelungen zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen §§ 305–310 BGB zulässig. Dafür spricht nicht nur das Schutzbedürfnis des Verbrauchers, der sich durch eine unzulässige Gerichtsstandsklausel von der Durchsetzung seiner Rechte abhalten lassen könnte, sondern auch das Bedürfnis, im Wege des Unterlassungsklageverfahrens gegen unzulässige Gerichtsstandsklauseln vorzugehen.
Rz. 1032
Unwirksam nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB sind auch Gerichtsstandsklauseln mit salvatorischem Charakter, etwa mit dem Zusatz "soweit gesetzlich zulässig" oder "soweit nicht zwingendes Recht entgegensteht". Der rechtsunkundige Verwendungsgegner, der grundsätzlich nicht weiß, was "gesetzlich zulässig" ist, wird damit unangemessen benachteiligt. Ausreichend ist, dass der Anschein erweckt wird, dass eine wirksame Gerichtsstandsklausel getroffen sein könnte, weil hierdurch ein entfernt wohnender Vertragspartner in Unkenntnis der gesetzlichen Vorschriften von der Verfolgung seiner Rechte abgehalten werden könnte (im unternehmerischen Geschäftsverkehr dürften derartige salvatorisch ergänzte Gerichtsstandsklauseln jedoch ausnahmsweise wirksam sein, da sie dort auch ohne diese Einschränkung als wirksam angesehen werden, wenn sie unterschiedslos gegenüber Nichtkaufleuten und Kaufleuten verwandt werden). Überdies verstößt eine solche Klausel bereits gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 BGB.
Rz. 1033
Nach Entstehung einer Streitigkeit ist gemäß § 38 Abs. 3 Nr. 1 ZPO auch Nichtkaufleuten erlaubt, eine Vereinbarung über die Zuständigkeit eines Gerichts zu treffen. Formularmäßig wird dies aber kaum praktikabel sein, sodass sich die Frage der Anwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen insoweit nicht stellt.
II. Verwendung zwischen Kaufleuten
Rz. 1034
Im unternehmerischen Geschäftsverkehr sind Gerichtsstandsvereinbarungen gemäß § 38 Abs. 1 ZPO zulässig. Hierzu befugt sind demnach Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen. Diese Voraussetzung muss bei beiden Parteien der Gerichtsstandsvereinbarung vorliegen. Nicht zu den Kaufleuten zählen die Kleingewerbebetreibenden, Kannkaufleute und Landwirte gemäß §§ 1 Abs. 2, 2 und 3 HGB, sofern sie nicht im Handelsregister eingetragen sind. Mit der h.M. sind auch Freiberufler ausgenommen. Mittlerweile besteht zwar bei vielen Freiberuflern die Möglichkeit, ihren Beruf nicht nur in der Rechtsform einer Personengesellschaft, sondern auch in Form einer Kapitalgesellschaft auszuüben, etwa in Rechtsanwaltsgesellschaften gemäß § 59c BRAO. Diese Gesellschaften sind als Formkaufleute (§ 6 HGB) daher befugt, gemäß § 38 Abs. 1 ZPO Gerichtsstandsvereinbarungen zu treffen. Dennoch ist dies auch unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in Art. 3 GG kein Grund, den Anwendungsbereich des § 38 Abs. 1 ZPO auf sämtliche Freiberufler auszuweiten. Mit der Gründung einer Kapitalgesellschaft, die organisatorisch und rechtlich aufwendig sein kann, haben sich Freiberufler entschieden, ihre Tätigkeit in einer gewerblichen Rechtsform auszuüben, für die andere Rechtsregeln gelten. Derartige Gesellschaften sind nicht vergleichbar mit vielen Einzelpraxen in den unterschiedlichsten freiberuflichen Bereichen, die in ihrem Schutzbedürfnis Verbrauchern nahekommen oder gleichstehen können. Obwohl im kaufmännischen Geschäftsverkehr Gerichtsstandsklauseln bei Geschäften jeder Art "weithin üblich, weit verbreitet und in aller Regel nicht zu beanstanden sind", können sie wegen Verstoßes gegen § 305c Abs. 1 oder § 307 BGB unwirksam sein.