Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
I. Status quo
Rz. 2204
In der Krankenversicherung ist insbesondere die Primärarztklausel zu beanstanden: Wer unmittelbar und ohne Überweisung durch einen Primärarzt (i.d.R. einen Allgemeinarzt) einen Facharzt aufsucht, muss in vielen Tarifen damit rechnen, dass die Kosten des Facharztes nur zu 80 % getragen werden. Dies ist AGB-rechtlich jedoch unzulässig.
Rz. 2205
Viele private Krankenversicherungen bieten Versicherungsschutz mit sog. Primärarzttarifen an, die oft etwas günstiger liegen als alternative Tarife. Typische Klauseln lauten etwa wie folgt:
Zitat
"Der versicherten Person steht die Wahl unter den Ärzten und Zahnärzten frei, die zur vertragsärztlichen bzw. -zahnärztlichen Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassen sind (Vertragsärzte bzw. Vertragszahnärzte)."
(Erstattung) Ambulante Heilbehandlung:
Ambulante Heilbehandlung durch Ärzte zu 100 %. Wird die Erstbehandlung nicht durch einen Primärarzt (Facharzt für Allgemeinmedizin/praktischer Arzt, Internist ohne Schwerpunktbezeichnung, der an der hausärztlichen Versorgung teilnimmt, Facharzt für Frauenheilkunde, für Augenheilkunde oder für Kinderheilkunde) durchgeführt, reduziert sich die Erstattung auf 80 %.“
Gleiches soll für die Erstattung von Arznei- und Verbandmitteln gelten.
II. Versicherungsbedingungen als AGB
Rz. 2206
Unzweifelhaft handelt es sich bei den vorstehenden Bedingungen um AGB i.S.v. § 305 BGB. Diese werden auch einer Vielzahl von Verträgen zugrunde gelegt. Die Genehmigung oder die Zustimmung von Aufsichtsbehörden hat hierauf keinen Einfluss. Für die Einbeziehung gelten die allgemeinen Regeln. Für ein Aushandeln muss Abänderungsbereitschaft erkennbar sein, der Verwender muss den gesetzesfremden Kerngehalt ernsthaft zur Disposition stellen. Hierbei ist es nicht ausreichend, wenn die Wahl zwischen zwei Alternativen angeboten wird. Jeder Tarif muss daher für sich ausgehandelt werden; es reicht nicht, dass alternative Versicherungstarife bestehen.
Rz. 2207
Auch eine vorformulierte Einverständniserklärung "Ich habe die AGB gelesen und bin hiermit einverstanden" beseitigt das Merkmal des Stellens nicht und die Inhaltskontrolle ist weiterhin möglich.
III. Auslegung
Rz. 2208
Die Auslegung von Versicherungsbedingungen hat aus sich heraus zu erfolgen ohne vergleichbare Betrachtung zu anderen Versicherungsbedingungen, die dem Versicherungsnehmer regelmäßig auch gar nicht bekannt sind. Ebenso hat die Entstehungsgeschichte der Bedingungen unberücksichtigt zu bleiben. Nach gefestigter Rechtsprechung des IV. Senats sind Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, "wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss". Dabei komme es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. Ob dies mit dem Grundsatz der kundenfeindlichsten Auslegung im AGB-Recht in Übereinstimmung steht, erscheint jedoch zweifelhaft. Die Frage mag hier jedoch dahinstehen.
IV. Überraschende Klauseln
Rz. 2209
Eine Einbeziehung von "versteckten" Klauseln, wenn eine Klausel nach der drucktechnischen Gestaltung so unauffällig in das Gesamtbild eingefügt wird, dass sie vom Vertragspartner des Verwenders dort nicht vermutet wird, lehnt der BGH zu Recht ab:
Zitat
"Überraschend ist eine Klausel nur, wenn sie eine Regelung enthält, die von den Erwartungen des typischerweise damit konfrontierten Versicherungsnehmers in einer Art und Weise deutlich abweicht, mit der er nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht (Senatsurteile vom 21.7.2011 – IV ...