Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
16.1
A. Einleitung
Rz. 776
Die Bürgschaft zählt zur Absicherung von Bankkrediten und im Baugewerbe trotz mittlerweile zahlreicher funktional gleichartiger Personalsicherheiten, wie dem Garantievertrag oder der Patronatserklärung, zu den in der Praxis meistverwendeten Sicherungsmitteln. Ein Bürge übernimmt gegenüber dem Gläubiger eines Dritten die Verpflichtung, für dessen Schuld einzustehen (vgl. § 765 BGB), und damit das Insolvenzrisiko. Er begründet eine eigene Verbindlichkeit gegenüber dem Gläubiger. Daher darf der Bürge nicht zugleich Hauptschuldner sein, während Gläubiger der gesicherten Forderung und Bürgschaftsgläubiger personenidentisch sein müssen. Grundlage der einseitigen Leistungsverpflichtung ist ein Bürgschaftsvertrag zwischen diesen beiden Parteien oder dem Bürgen und einer vom Hauptschuldner und Gläubiger verschiedenen dritten Person zugunsten des Gläubigers.
Rz. 777
Inhalt und Grenzen des Bürgschaftsvertrags sind in den dispositiven Vorschriften der §§ 765 ff. BGB geregelt. Aus §§ 767, 768 und 770 BGB folgt, dass die Bürgschaftsforderung nur im Umfang der Gläubigerforderung gegenüber dem Hauptschuldner besteht. Eine Vereinbarung, wonach die Bürgschaft nicht von Entstehen, Bestand und Höhe der Hauptschuld abhängig sein soll, führt dazu, dass keine Bürgschaft mehr vorliegt. Von den §§ 765 ff. BGB abweichende Vereinbarungen sind damit zwar in Individualvereinbarungen zulässig, soweit dadurch aber die Abhängigkeit der Bürgenhaftung vom Bestand der Hauptschuld (Akzessorietät) aufgelöst wird, ändern sie den Rechtscharakter des Sicherungsmittels. Sie sind nur bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs zulässig. Der Akzessorietätsgrundsatz wird als Leitbild des Bürgschaftsvertrags bezeichnet. Eine als "Bürgschaftserklärung" bezeichnete Erklärung ist daher dann gemäß § 307 BGB unwirksam, wenn die eine Bürgschaft kennzeichnenden Merkmale abbedungen wurden, sodass die Vereinbarung im Ergebnis eine Garantieerklärung darstellt.
Rz. 778
Der Abschluss eines Bürgschaftsvertrags bei "Massengeschäften" in der Bankpraxis erfolgt regelmäßig unter Verwendung von Bürgschaftsformularen, die dem Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB unterfallen. Dies gilt bei Beteiligung einer Bank unabhängig davon, ob die Bank als Gläubiger der Hauptforderung oder selbst als Bürge auftritt. Der Versuch des Verwenders, sich der Inhaltskontrolle mit der Behauptung zu entziehen, die Bestimmungen seien gemäß § 305 Abs. 1 S. 3 BGB individuell ausgehandelt, wird in der Regel bei banküblichen Bürgschaften scheitern. Denn hierzu müsste er den Nachweis erbringen, dass er den Kerngehalt der Vertragsbedingungen ernsthaft zur Disposition gestellt hat, der Vertragspartner die reale Möglichkeit zur Änderung einzelner Vertragsbedingungen hatte und sich dies in dem endgültigen Vertragstext auch niedergeschlagen hat. Der für Bürgschaftsformulare typische Ausschluss von Einwendungen in den Vertragsbedingungen spricht aber nahezu immer für das Vorliegen von AGB. Ihre Einbeziehung erfolgt bei Bürgschaftsverträgen mit der Unterschrift unter den Vertrag, wenn sämtliche die Bürgschaft betreffende Regelungen in der Vertragsurkunde enthalten sind. Das Vorliegen der weiteren Voraussetzungen nach § 305 Abs. 2 BGB wird dann unterstellt.